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Die Jagd nach dem Juwel: Phäno-Hunting als Herzstück der Cannabis-Züchtung

  • fn2136
  • vor 4 Stunden
  • 5 Min. Lesezeit


In der Welt der Cannabis-Genetik sprechen wir oft von Genotyp und Phänotyp – der genetischen Anlage einer Pflanze und ihrer tatsächlichen Erscheinung. Wir wissen auch, dass Samen, anders als Klone, eine gewisse Variation in ihren Eigenschaften aufweisen können, insbesondere wenn sie aus Kreuzungen stammen, die noch nicht vollständig stabilisiert sind (wie z. B. aus F2-Generationen). Aber wie finden Züchter inmitten dieser genetischen Vielfalt jene aussergewöhnlichen Individuen, die das Potenzial haben, die nächste legendäre Sorte zu werden oder die Grundlage für stabile, hochperformante Genetik zu bilden? Hier kommt das Phäno-Hunting ins Spiel – eine entscheidende Phase, die Kunst, Wissenschaft und viel Geduld vereint.

Für Züchter wie uns bei High Level Genetics ist das Phäno-Hunting weit mehr als nur Anbauen. Es ist eine sorgfältige, systematische Jagd nach dem "Juwel" – der einen oder den wenigen Pflanzen in einer grossen Population, die sich durch herausragende, gewünschte Eigenschaften auszeichnen.

In diesem Artikel erklären wir im Detail, was Phäno-Hunting ist, warum es ein unverzichtbarer Schritt bei der Entwicklung neuer Cannabissorten ist und wie dieser Prozess abläuft.

Vom Samen zur Vielfalt: Warum ist ein Phäno Hunt nötig?

Wie wir im Artikel über genetische Stabilität erläutert haben, tragen Samen aus einer Kreuzung (vor allem aus Generationen jenseits der F1, wie der F2-Generation) unterschiedliche Kombinationen von Allelen von ihren Eltern in sich. Auch wenn die Eltern (P1) bestimmte wünschenswerte Merkmale hatten, rekombinieren diese Merkmale in den Nachkommen neu. Das führt dazu, dass selbst bei Samen aus derselben Packung die resultierenden Pflanzen (die Phänotypen) sehr unterschiedlich aussehen und sich verhalten können: einige ähneln eher dem Vater, andere der Mutter, und wieder andere zeigen völlig neue Kombinationen von Eigenschaften, die als "gut", "mittelmässig" oder sogar "unerwünscht" bewertet werden können.

Das Ziel des Züchters ist es, aus dieser genetischen Vielfalt die Individuen zu identifizieren, die die besten Kombinationen der angestrebten Merkmale aufweisen. Da der Genotyp allein uns nicht alles über den tatsächlichen Phänotyp verrät (denken Sie an die Interaktion mit der Umwelt!), müssen diese Pflanzen tatsächlich angepflanzt und beobachtet werden. Hier beginnt der Phäno Hunt.

Was genau ist Phäno-Hunting? Die Jagd nach den "Eliten"

Phäno-Hunting (kurz für Phänotypen-Jagd) ist der Prozess, eine grössere Anzahl von Pflanzen aus Samen derselben genetischen Linie anzubauen, diese Pflanzen während ihres gesamten Lebenszyklus sorgfältig zu beobachten, zu bewerten und schliesslich diejenigen wenigen Individuen auszuwählen, die die vom Züchter definierten, herausragenden Phänotypen aufweisen. Diese ausgewählten Pflanzen werden als "Eliten", "Keeper" (Bewahrer) oder zukünftige Mutterpflanzen bezeichnet.

Es ist im Grunde eine sehr detaillierte Form der Selektion, die speziell darauf abzielt, innerhalb einer genetisch vielfältigen Population (oft aus neuen oder instabilen Kreuzungen) die besten individuellen Ausdrucksformen der Genetik zu finden.

Der Prozess: Ein Marathon, kein Sprint

Phäno-Hunting ist keine schnelle Angelegenheit. Es erfordert Platz, Ressourcen, akribische Dokumentation und Geduld über den gesamten Wachstums- und Blütezyklus:

  1. Vorbereitung und Planung: Der Züchter definiert klar, welche Merkmale er sucht (z. B. hoher THC-Gehalt und bestimmtes Zitrus-Aroma und kompakte Blütenstruktur). Basierend auf der erwarteten genetischen Variation werden Hunderte, manchmal sogar Tausende von Samen derselben Kreuzung (z. B. F2-Samen) zum Keimen gebracht. Eine grössere Population erhöht die Wahrscheinlichkeit, seltene oder besonders wünschenswerte Kombinationen von Genen zu finden.

  2. Anzucht und Identifizierung: Jeder Sämling wird nummeriert oder anderweitig eindeutig identifiziert und dokumentiert. Sie werden unter kontrollierten Bedingungen angebaut, um die Umwelteinflüsse so gering wie möglich zu halten und sicherzustellen, dass Unterschiede primär auf genetische Variation zurückzuführen sind.

  3. Beobachtung und Bewertung während des Wachstums: Schon in der Vegetationsphase beginnt die Bewertung. Der Züchter beobachtet Wuchsform, Blattstruktur, Wachstumskraft, Verzweigungsmuster und frühe Anzeichen von Vitalität oder Problemen (z. B. Anfälligkeit für Nährstoffmängel oder Krankheiten). Pflanzen mit offensichtlich unerwünschten Merkmalen oder schwachem Wuchs werden oft frühzeitig aussortiert ("gecullt"). Männliche Pflanzen werden identifiziert und entfernt, es sei denn, der Züchter sucht speziell nach Männchen für weitere Zuchtschritte.

  4. Bewertung während der Blüte: Dies ist eine der kritischsten Phasen. Die Pflanzen werden über den gesamten Blütezyklus beobachtet: Geschwindigkeit der Blüteentwicklung, Streckung (Stretch), Blütenstruktur (dicht, luftig), Harzproduktion (Dichte und Art der Trichome), Entwicklung des Aromas (riecht es wie erwartet? Ist es intensiv? Komplex?).

  5. Ernte, Trocknung und Aushärtung: Nachdem die Pflanzen einzeln geerntet wurden (jedes Individuum wird getrennt behandelt!), folgen Trocknung und Aushärtung – Prozesse, die das finale Aroma, den Geschmack und die Potenz beeinflussen.

  6. Sensorische und analytische Bewertung: Nun erfolgt die detaillierte Prüfung des Endprodukts.

    • Sensorisch: Geruch (vor dem Mahlen und nach dem Mahlen), Geschmack (beim Konsum), Sanftheit des Rauches/Dampfes.

    • Analytisch: Essentiell für die moderne Züchtung sind Labortests. Proben der Blüten werden auf ihren Cannabinoid-Gehalt (THC, CBD, THCV, CBG, etc.) und ihr Terpenprofil getestet. Dies liefert objektive Daten, die subjektive Eindrücke ergänzen.

    • Wirkung: Oft wird auch das subjektive Wirkungsprofil beim Konsum bewertet.



  1. Die finale Selektion: Basierend auf allen gesammelten Daten und Beobachtungen (Wuchsdaten, Fotos, Notizen zu Aroma/Struktur, Labortests, Wirkungserlebnisse) trifft der Züchter die Entscheidung. Aus der grossen Anzahl von Pflanzen, die in den Hunt geschickt wurden, werden vielleicht nur 1 bis 5 % als "Elite" oder "Keeper" ausgewählt. Pflanzen, die nur ein oder zwei gute Merkmale haben, aber in anderen Bereichen schwächeln, werden aussortiert. Gesucht wird nach dem Gesamtpaket der gewünschten Eigenschaften.

  2. Sicherung der Genetik: Die ausgewählten Elite-Pflanzen werden typischerweise als Mutterpflanzen etabliert und durch Klonen vegetativ vermehrt. Klonen erzeugt genetisch identische Kopien der Mutterpflanze, was bedeutet, dass der gewünschte Phänotyp exakt reproduziert werden kann (vorausgesetzt, die Anbaubedingungen sind ähnlich).

Warum ist Pheno-Hunting so wichtig für die Entwicklung neuer Sorten?

Phäno-Hunting ist nicht nur ein Schritt im Zuchtprozess; es ist oft der erste Schritt, der einer neuen Sorte ihre Identität gibt.

  • Entdeckung von Potenzial: In den F2- oder frühen Generationen einer neuen Kreuzung ist das genetische Potenzial maximal verteilt. Der Phäno Hunt ist die Methode, um dieses Potenzial sichtbar zu machen und jene seltenen Kombinationen zu finden, die wirklich herausragend sind.

  • Basis für Stabilisierung: Die im Pheno Hunt identifizierten Elite-Pflanzen sind die Gründerpopulation für die nächsten Schritte der Stabilisierung. Nur die besten Individuen werden für weitere Züchtungsrunden verwendet, um die gewünschten Merkmale in der Linie zu fixieren.

  • Identifizierung von Eltern für F1-Hybriden: Wenn das Ziel die Schaffung einer stabilen F1-Hybride ist, werden im Pheno Hunt potenziell Elite-Pflanzen identifiziert, die dann als stabile Eltern (IBLs) entwickelt oder verwendet werden könnten.

  • Anpassung und Selektion: Durch Phäno-Hunting unter spezifischen Bedingungen (z. B. Outdoor in einer bestimmten Region) kann der Züchter auch Pflanzen identifizieren, die besonders gut an diese Umgebung angepasst sind.

Ohne Pheno-Hunting bliebe das wahre Potenzial vieler Kreuzungen unentdeckt. Es wäre unmöglich, gezielt auf Qualität, spezifische Profile und Leistungsfähigkeit hinzuarbeiten.

Herausforderungen und Belohnungen

Der Phäno Hunt ist anspruchsvoll. Er erfordert viel Platz, Zeit, Energie und die Bereitschaft, den Grossteil der angebauten Pflanzen am Ende zu verwerfen. Es kann entmutigend sein, wenn nach wochenlanger Arbeit keine wirkliche "Elite" gefunden wird.

Doch die Belohnung kann immens sein. Die Entdeckung einer wirklich aussergewöhnlichen Pflanze – einer, die alle Zuchtziele übertrifft, ein einzigartiges Aroma hat oder eine seltene Cannabinoid-Kombination aufweist – ist das, was Züchter antreibt. Diese wenigen Juwelen bilden die Grundlage für die Entwicklung neuer, stabiler und begehrter Cannabissorten, die die Vielfalt und Qualität auf dem Markt bereichern.

Fazit

Phäno-Hunting ist ein fundamentaler und aufregender Teil des Cannabis-Zuchtprozesses. Es ist die Phase der Entdeckung, in der das genetische Potenzial einer neuen Kreuzung erkundet wird. Durch sorgfältige Anzucht, Beobachtung, Bewertung und Selektion identifizieren Züchter jene seltenen und überlegenen Individuen – die "Eliten" –, die als Mutterpflanzen erhalten oder als Grundlage für die weitere Stabilisierung und Entwicklung neuer, verlässlicher Sorten dienen.

Es ist ein Prozess, der Geduld, Akribie und ein tiefes Verständnis für die Pflanze erfordert, aber er ist unerlässlich, um die Grenzen dessen, was Cannabis genetisch leisten kann, zu verschieben und die Vielfalt und Qualität zu schaffen, die wir heute in hochwertigen Sorten sehen. Bei High Level Genetics ist das Beherrschen des Phäno-Huntings ein Kernbestandteil unseres Engagements für exzellente Genetik.

Hinweis: Die Effektivität des Pheno-Huntings hängt stark von der genetischen Vielfalt der Population (z. B. F2 vs. stärker stabilisierte Linien) und der Stringenz der angewandten Selektionskriterien ab.

 
 
 

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