top of page

Free E-Book - Jenseits von THC & CBD: Die faszinierende Welt der Minor Cannabinoids und ihr medizinisches Potenzial – Ein Leitfaden von High Level Genetics

  • fn2136
  • vor 5 Tagen
  • 67 Min. Lesezeit

Willkommen zu einer Entdeckungsreise in die tiefere Dimension der Cannabis-Pflanze! In einer Zeit, in der sich die Wahrnehmung von Cannabis rasant wandelt und die wissenschaftliche Forschung täglich neue Erkenntnisse gewinnt, möchten wir von High Level Genetics Sie einladen, über die bekannten Horizonte von THC und CBD hinauszublicken.

Die Cannabis-Landschaft im Wandel: Mehr als nur zwei Buchstaben

Die Diskussion um Cannabis und seine Inhaltsstoffe wurde lange Zeit von zwei prominenten Cannabinoiden dominiert: Tetrahydrocannabinol (THC), bekannt für seine psychoaktiven Eigenschaften, und Cannabidiol (CBD), geschätzt für seine vielfältigen nicht-psychoaktiven therapeutischen Wirkungen. Zweifellos haben diese beiden Verbindungen den Weg für die Akzeptanz und Erforschung von medizinischem Cannabis geebnet. Doch die Cannabis-Pflanze ist eine wahre Schatzkammer mit über hundert weiteren, bisher weniger beachteten Cannabinoiden – den sogenannten Minor Cannabinoids oder Nebencannabinoiden. Diese "stillen Stars" rücken nun immer mehr in den Fokus der Forschung und versprechen eine neue Ära personalisierter Medizin und spezialisierter Anwendungen.



Warum dieses E-Book? Die Mission von High Level Genetics

Wir bei High Level Genetics sind nicht nur Züchter und Anbieter erstklassiger Cannabis-Genetik. Wir sehen uns als Pioniere und Wissensvermittler, die leidenschaftlich daran arbeiten, das volle Potenzial dieser aussergewöhnlichen Pflanze zu entschlüsseln und zugänglich zu machen. Viele Menschen sind auf der Suche nach gezielten Lösungen für ihre gesundheitlichen Bedürfnisse – Lösungen, die möglicherweise in den spezifischen Profilen der Minor Cannabinoids verborgen liegen.

Dieses E-Book wurde aus dem Wunsch geboren, Licht ins Dunkel dieser faszinierenden Moleküle zu bringen. Wir möchten Ihnen fundiertes Wissen an die Hand geben, damit Sie die Chancen verstehen, die sich durch Cannabigerol (CBG), Cannabinol (CBN), Tetrahydrocannabivarin (THCV), Cannabidivarin (CBDV), Cannabichromen (CBC) und andere eröffnen. Unser Ziel ist es, die Brücke zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis, züchterischer Innovation und praktischer Anwendung zu schlagen.

Was Sie in diesem E-Book erwartet

Begleiten Sie uns auf eine spannende Reise, auf der wir:

  • die Grundlagen des Endocannabinoid-Systems und seine Interaktion mit pflanzlichen Cannabinoiden beleuchten.

  • detaillierte Profile der wichtigsten Minor Cannabinoids vorstellen – von ihrer Entdeckung über ihre chemischen Eigenschaften bis hin zu ihren erforschten und potenziellen medizinischen Wirkungen.

  • aktuelle wissenschaftliche Studien und Erkenntnisse verständlich aufbereiten.

  • Ihnen einen exklusiven Einblick in die Kunst und Wissenschaft der Cannabis-Züchtung geben: Wie entwickeln wir bei High Level Genetics Sorten, die reich an diesen spezifischen Minor Cannabinoids sind?

  • die Herausforderungen und Chancen bei der Gewinnung und Formulierung dieser Verbindungen diskutieren.

  • einen Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und den zukünftigen Markt werfen.



Für wen ist dieses E-Book gedacht?

Dieses E-Book richtet sich an alle, die ihr Wissen über Cannabis vertiefen möchten:

  • Patienten und medizinisch Interessierte, die nach Informationen über alternative oder ergänzende Therapieoptionen suchen.

  • Grower und Züchter, die die Vielfalt der Cannabis-Genetik verstehen und nutzen möchten, um spezialisierte Sorten mit einzigartigen Profilen anzubauen.

  • Medizinisches Fachpersonal, das sich über die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen im Bereich der Cannabinoid-Forschung auf dem Laufenden halten möchte.

  • Cannabis-Enthusiasten und Neugierige, die einfach mehr über die verborgenen Schätze der Hanfpflanze erfahren wollen.



Ein Wort von High Level Genetics

Unser Engagement bei High Level Genetics gilt der Exzellenz – in der Qualität unserer Genetik, in der Tiefe unserer Forschung und in der Innovationskraft unserer Züchtungsarbeit. Wir sind davon überzeugt, dass die Cannabis-Pflanze ein enormes, noch weitgehend ungenutztes Potenzial birgt, um das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Menschen weltweit zu verbessern. Mit diesem E-Book möchten wir unser Wissen teilen und Sie dazu inspirieren, die faszinierende Welt der Minor Cannabinoids gemeinsam mit uns zu entdecken.

Wir danken Ihnen für Ihr Interesse und wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Ihr Team von High Level Genetics

Quellen und weiterführende Literatur:


Kapitel 1: Das Fundament – Eine Reise ins Endocannabinoid-System (ECS)

Bevor wir uns den spezifischen Eigenschaften und dem Potenzial der verschiedenen Minor Cannabinoids widmen können, müssen wir einen Schritt zurücktreten und das System verstehen, mit dem diese faszinierenden Pflanzenstoffe in unserem Körper interagieren: das Endocannabinoid-System, kurz ECS. Stellen Sie sich das ECS als einen feinfühligen Dirigenten vor, der unermüdlich daran arbeitet, ein riesiges Orchester – unseren Körper – in Harmonie zu halten. Es ist ein fundamentales Kommunikationssystem, das eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts, der sogenannten Homöostase, spielt.

Das Verständnis des ECS ist nicht nur entscheidend, um die vielfältigen Wirkungen von Cannabis zu begreifen, sondern es eröffnet uns auch die Tür zu den subtilen und spezifischen Mechanismen, über die Minor Cannabinoids ihre potenziellen therapeutischen Effekte entfalten könnten. Interessanterweise ist dieses System nicht nur dem Menschen vorbehalten; es findet sich in nahezu allen tierischen Organismen, von Säugetieren über Vögel und Reptilien bis hin zu Fischen, was seine evolutionär konservierte und fundamentale Bedeutung für das Leben unterstreicht.



Die Entdeckung – Eine wissenschaftliche Spurensuche

Die Entdeckung des ECS ist eng mit der Erforschung der Cannabis-Pflanze verbunden. Obwohl Cannabis seit Jahrtausenden von Menschen genutzt wird, begann die wissenschaftliche Entschlüsselung seiner Wirkstoffe erst im 20. Jahrhundert. Ein entscheidender Durchbruch gelang dem israelischen Forscher Dr. Raphael Mechoulam und seinem Team, als sie 1964 die Struktur von Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC), dem primär psychoaktiven Bestandteil von Cannabis, isolierten und aufklärten.

Diese Entdeckung warf eine wichtige Frage auf: Wenn THC eine so deutliche Wirkung auf den Körper hat, muss es spezifische Andockstellen geben, über die es diese Wirkung vermittelt. Diese Überlegung führte Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre zur Identifizierung der ersten Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn (CB1-Rezeptoren). Kurz darauf wurde ein zweiter Rezeptortyp (CB2-Rezeptoren) hauptsächlich ausserhalb des Gehirns, vor allem auf Zellen des Immunsystems, gefunden.

Die nächste logische Frage war: Wenn der Körper eigene Rezeptoren für pflanzliche Cannabinoide besitzt, produziert er dann vielleicht auch eigene, körpereigene Substanzen, die an diese Rezeptoren binden? Die Antwort war Ja. 1992 entdeckte Mechoulams Team Anandamid, das erste identifizierte Endocannabinoid. Wenige Jahre später folgte die Entdeckung von 2-Arachidonylglycerol (2-AG). Damit waren die Hauptkomponenten des Endocannabinoid-Systems identifiziert, und ein völlig neues Feld der biologischen Forschung war eröffnet.



Die Hauptakteure des ECS – Ein eingespieltes Team

Das Endocannabinoid-System besteht im Wesentlichen aus drei Hauptkomponenten, die wie ein perfekt eingespieltes Team zusammenarbeiten:

  1. Endocannabinoide: Dies sind die körpereigenen Botenstoffe, quasi das "körpereigene Cannabis". Im Gegensatz zu klassischen Neurotransmittern werden sie nicht auf Vorrat gespeichert, sondern "bei Bedarf" (on demand) in den Zellmembranen genau dort synthetisiert, wo sie gebraucht werden. Die beiden bekanntesten und am besten erforschten Endocannabinoide sind:

    • Anandamid (AEA): Der Name leitet sich vom Sanskrit-Wort "Ananda" ab, was "Glückseligkeit" oder "Glück" bedeutet. Anandamid spielt eine Rolle bei der Regulierung von Stimmung, Schmerzempfinden, Appetit und Gedächtnis.

    • 2-Arachidonylglycerol (2-AG): 2-AG kommt im Gehirn oft in deutlich höheren Konzentrationen vor als Anandamid und ist ebenfalls an einer Vielzahl von Prozessen beteiligt, darunter Schmerzmodulation, Entzündungsreaktionen und Appetitregulation.

  2. Cannabinoid-Rezeptoren: Dies sind Proteine, die auf der Oberfläche von Zellen sitzen und als "Schlösser" fungieren, an die sowohl Endocannabinoide als auch Phytocannabinoide (Cannabinoide aus Pflanzen wie Cannabis) wie ein Schlüssel binden können, um eine zelluläre Antwort auszulösen. Die beiden Haupttypen sind:

    • CB1-Rezeptoren: Finden sich vorwiegend im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark), aber auch in geringeren Mengen in anderen Organen wie Leber, Lunge und Fortpflanzungsorganen. Sie sind massgeblich an den psychoaktiven Effekten von THC beteiligt und spielen eine wichtige Rolle bei Gedächtnisprozessen, Schmerzwahrnehmung, Appetitsteuerung und Bewegungskoordination.

    • CB2-Rezeptoren: Sind primär auf Zellen des Immunsystems (z.B. Milz, Mandeln, weisse Blutkörperchen) und im peripheren Nervensystem lokalisiert. Ihre Aktivierung ist vor allem mit der Modulation von Entzündungsreaktionen und der Immunantwort verbunden. Sie scheinen keine direkten psychoaktiven Effekte zu vermitteln.

    • Es gibt Hinweise auf weitere Rezeptoren, die mit Cannabinoiden interagieren können, wie z.B. GPR55 oder TRPV-Kanäle (Transient Receptor Potential Vanilloid). Diese sind Gegenstand aktueller Forschung und könnten das komplexe Bild der Cannabinoid-Wirkung erweitern.

  3. Stoffwechselenzyme: Diese Enzyme sind dafür verantwortlich, die Endocannabinoide nach getaner Arbeit wieder abzubauen und so ihre Wirkung zeitlich und räumlich zu begrenzen. Sie sorgen dafür, dass das System nicht überaktiviert wird. Die wichtigsten Enzyme sind:

    • Fettsäureamid-Hydrolase (FAAH): Dieses Enzym ist primär für den Abbau von Anandamid zuständig.

    • Monoacylglycerinlipase (MAGL): Dieses Enzym baut hauptsächlich 2-AG ab. Die Aktivität dieser Enzyme ist entscheidend für die Konzentration und damit die Signalstärke der Endocannabinoide im Gewebe.



Die Funktionen des ECS – Der Meister der Balance (Homöostase)

Die übergeordnete Funktion des ECS ist die Aufrechterhaltung der Homöostase – eines dynamischen Gleichgewichtszustands aller physiologischen Prozesse im Körper. Man kann es sich als ein feines Justierungssystem vorstellen, das hilft, auf Veränderungen und Stressoren zu reagieren und den Körper wieder ins Lot zu bringen. Es reguliert eine erstaunliche Bandbreite von Funktionen, darunter:

  • Schmerzempfindung und -verarbeitung

  • Stimmung und emotionale Reaktionen (z.B. Angst, Stress)

  • Appetit, Hunger und Sättigungsgefühl

  • Schlaf-Wach-Rhythmus

  • Gedächtnisbildung und Lernprozesse

  • Immunfunktion und Entzündungsreaktionen

  • Stressbewältigung und Anpassung an Stressoren

  • Motorische Kontrolle

  • Energiehaushalt und Stoffwechsel

  • Knochenwachstum und -umbau

  • Hautgesundheit

Eine Besonderheit des ECS ist die sogenannte retrograde Signalisierung. Im Gegensatz zu den meisten Neurotransmittern, die von einer präsynaptischen Nervenzelle zu einer postsynaptischen Zelle wandern, werden Endocannabinoide oft von der postsynaptischen Zelle freigesetzt und wandern "rückwärts" zur präsynaptischen Zelle. Dort binden sie an CB1-Rezeptoren und können die Freisetzung anderer Neurotransmitter (wie z.B. GABA oder Glutamat) modulieren. Dies ermöglicht dem ECS, die neuronale Aktivität sehr fein und gezielt zu regulieren – wie ein Dimmer, der die Intensität des Signals anpasst.



Phytocannabinoide – Externe Spieler im körpereigenen System

Die Cannabinoide aus der Cannabis-Pflanze, die sogenannten Phytocannabinoide, können das ECS beeinflussen, weil ihre Molekülstruktur den körpereigenen Endocannabinoiden ähnelt. Sie können an die Cannabinoid-Rezeptoren binden oder die Aktivität der Stoffwechselenzyme beeinflussen:

  • Direkte Interaktion: THC beispielsweise ist ein Partialagonist an CB1- und CB2-Rezeptoren, was bedeutet, dass es diese Rezeptoren direkt aktiviert (wenn auch nicht so stark wie ein Vollagonist). Seine Bindung an CB1-Rezeptoren im Gehirn ist für die psychoaktiven Effekte verantwortlich.

  • Indirekte Interaktion: CBD hingegen hat eine geringe direkte Bindungsaffinität zu CB1- und CB2-Rezeptoren. Es scheint seine Wirkungen über eine Vielzahl anderer Mechanismen zu entfalten. Dazu gehört möglicherweise die Hemmung des FAAH-Enzyms, was zu einem Anstieg des Anandamid-Spiegels führt (und somit die körpereigene "Wohlfühl"-Signalgebung verstärkt). CBD interagiert auch mit anderen Rezeptorsystemen (z.B. Serotonin-Rezeptoren, TRPV1-Rezeptoren).

Die Art und Weise, wie verschiedene Phytocannabinoide – einschliesslich der Minor Cannabinoids – mit dem ECS und anderen verwandten Systemen interagieren, ist der Schlüssel zu ihren spezifischen therapeutischen Potenzialen.

Das ECS und die Minor Cannabinoids – Ein Ausblick

Das Verständnis des Endocannabinoid-Systems ist die unerlässliche Grundlage, um die spezifischen Wirkweisen und das therapeutische Potenzial der vielen Minor Cannabinoids zu erforschen, die wir in den folgenden Kapiteln genauer unter die Lupe nehmen werden. Jedes dieser Cannabinoide – sei es CBG, CBN, THCV, CBDV oder CBC – hat sein eigenes, einzigartiges Profil der Interaktion mit dem ECS und möglicherweise anderen Zielstrukturen im Körper. Einige könnten spezifische Rezeptoren stärker oder schwächer aktivieren als THC oder CBD, andere könnten die Enzyme des ECS auf unterschiedliche Weise beeinflussen oder ganz neue Signalwege ansprechen. Die Erforschung dieser Nuancen verspricht ein tieferes Verständnis und gezieltere Anwendungen von Cannabis in der Medizin der Zukunft.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das Endocannabinoid-System ist ein komplexes, aber fundamentales Regulationssystem in unserem Körper, das für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zuständig ist. Seine Entdeckung hat unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit revolutioniert und bildet die Basis für die Erforschung der vielfältigen Wirkstoffe der Cannabis-Pflanze.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 1):


Kapitel 2: Die "Nebendarsteller" im Rampenlicht – Eine Einführung in die Minor Cannabinoids

Nachdem wir im ersten Kapitel das fundamentale Endocannabinoid-System (ECS) erkundet haben, ist es nun an der Zeit, unseren Blick auf die vielfältigen Akteure zu richten, die von der Cannabis-Pflanze selbst produziert werden – und zwar jenseits der allseits bekannten "Stars" THC und CBD. Die Cannabis-Pflanze ist eine komplexe biochemische Fabrik, die Hunderte von Verbindungen synthetisiert, darunter eine grosse Familie von über 100 bis 150 identifizierten Phytocannabinoiden. Während THC (Delta-9-Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Konzentrationen in vielen Kultivaren und ihrer markanten Wirkungen die meiste Aufmerksamkeit erhalten haben, verbirgt sich dahinter eine faszinierende Gruppe von Verbindungen: die Minor Cannabinoids oder Nebencannabinoide.

Was sind "Minor Cannabinoids"?

Als "Minor Cannabinoids" werden typischerweise jene Cannabinoide bezeichnet, die in den meisten gängigen Cannabis-Sorten in deutlich geringeren Konzentrationen vorkommen als THC oder CBD. Oft machen sie jeweils weniger als 1% des Trockengewichts der Pflanze aus. Doch "minor" in der Konzentration bedeutet keineswegs "minor" in der potenziellen Wirkung oder im wissenschaftlichen Interesse! Im Gegenteil: Die Forschung beginnt gerade erst, das einzigartige Potenzial dieser oft übersehenen Moleküle zu entschlüsseln. Das wachsende Interesse an ihnen speist sich aus mehreren Quellen:

  • Die Suche nach spezifischeren therapeutischen Wirkungen mit potenziell weniger Nebenwirkungen.

  • Ein tieferes Verständnis des Entourage-Effekts, bei dem das Zusammenspiel verschiedener Pflanzenstoffe eine synergistische Wirkung entfaltet.

  • Fortschritte in der Analytik und Züchtung, die es ermöglichen, diese Verbindungen besser zu identifizieren, zu isolieren und in höheren Konzentrationen zu produzieren.



Die Quelle allen Seins (in der Pflanze): Cannabigerolsäure (CBGA)

Um die Entstehung der verschiedenen Cannabinoide zu verstehen, müssen wir uns einem Molekül zuwenden, das oft als die "Mutter aller Cannabinoide" oder das "Stammzellen-Cannabinoid" bezeichnet wird: die Cannabigerolsäure (CBGA). In der jungen Cannabis-Pflanze wird CBGA durch die Kombination von Geranylpyrophosphat und Olivetolsäure gebildet.

CBGA steht dann an einer entscheidenden Weggabelung in der Biosynthese der wichtigsten Cannabinoide. Spezifische Enzyme (Synthasen) in der Pflanze wandeln CBGA in die sauren Vorläufer der bekannteren Cannabinoide um:

  • THCA-Synthase wandelt CBGA in Tetrahydrocannabinolsäure (THCA) um.

  • CBDA-Synthase wandelt CBGA in Cannabidiolsäure (CBDA) um.

  • CBCA-Synthase wandelt CBGA in Cannabichromensäure (CBCA) um.

Wenn diese sauren Cannabinoide (THCA, CBDA, CBCA) Hitze ausgesetzt werden (z.B. beim Rauchen, Verdampfen oder Kochen), verlieren sie eine Carboxylgruppe in einem Prozess, der Decarboxylierung genannt wird. Dadurch werden sie in ihre neutralen, aktiveren Formen umgewandelt: THC, CBD und CBC.

Ein Teil des CBGA wird in der Pflanze nicht weiter umgewandelt und kann bei Decarboxylierung direkt zu Cannabigerol (CBG) werden. Es ist wichtig zu erwähnen, dass es auch eine parallele Biosynthese-Linie für die sogenannten "Varin"-Cannabinoide gibt (wie THCV, CBDV, CBCV), die von Cannabigerovarinsäure (CBGVA) ausgeht, welche aus Geranylpyrophosphat und Divarinolsäure gebildet wird.

Diese Biosynthese-Kaskade ist ein wunderbares Beispiel für die Effizienz der Natur und erklärt, warum die Konzentrationen der einzelnen Cannabinoide in einer bestimmten Pflanze so stark variieren können – es hängt davon ab, welche Enzyme aktiv sind und in welchem Ausmass die Umwandlungen stattfinden.



Die "Nebendarsteller" stellen sich vor – Ein erster Überblick

In den folgenden Kapiteln werden wir einige der vielversprechendsten Minor Cannabinoids detailliert untersuchen. Hier ist ein kurzer Vorgeschmack auf die Akteure, die wir näher kennenlernen werden:

  • Cannabigerol (CBG): Das nicht-saure Derivat von CBGA. Es gilt als nicht-psychoaktiv und zeigt in präklinischen Studien vielversprechende antibakterielle, entzündungshemmende und neuroprotektive Eigenschaften. Da es der Vorläufer vieler anderer Cannabinoide ist, ist seine Konzentration in reifen Pflanzen oft gering, es sei denn, es handelt sich um speziell gezüchtete CBG-reiche Sorten.

  • Cannabinol (CBN): Dieses Cannabinoid ist weniger ein direktes Produkt der Biosynthese als vielmehr ein Abbauprodukt von THC. Wenn THC Sauerstoff und Licht ausgesetzt wird, oxidiert es und wandelt sich in CBN um. Es wird oft mit sedierenden Effekten in Verbindung gebracht und könnte Potenzial bei Schlafstörungen haben, obwohl die Forschung hierzu noch nicht eindeutig ist.

  • Tetrahydrocannabivarin (THCV): Ein Homolog von THC, das sich in seiner chemischen Struktur und seinen Wirkungen unterscheidet. Es kann je nach Dosis unterschiedliche, teils sogar entgegengesetzte Effekte zu THC haben. Forschung deutet auf mögliches Potenzial bei der Appetitregulierung und Blutzuckerkontrolle hin.

  • Cannabidivarin (CBDV): Ein Homolog von CBD. Ähnlich wie CBD ist es nicht-psychoaktiv. Die Forschung konzentriert sich auf seine potenziellen antikonvulsiven Eigenschaften, insbesondere bei Epilepsie, sowie auf mögliche Anwendungen bei Autismus-Spektrum-Störungen.

  • Cannabichromen (CBC): Obwohl es direkt aus CBGA entsteht, ist es oft in geringeren Mengen als THC oder CBD vorhanden. Es ist nicht-psychoaktiv und zeigt in Studien vielversprechende entzündungshemmende, schmerzlindernde und möglicherweise antidepressive sowie neuroprotektive Eigenschaften. Es scheint auch die Wirkung anderer Cannabinoide im Rahmen des Entourage-Effekts zu verstärken.

Warum "Minor"? Faktoren, die die Konzentrationen beeinflussen

Die Bezeichnung "Minor" bezieht sich, wie erwähnt, auf die typischerweise geringe Konzentration dieser Cannabinoide. Mehrere Faktoren spielen hier eine Rolle:

  1. Genetik der Pflanze: Dies ist der Hauptfaktor. Die genetische Ausstattung einer Cannabis-Sorte bestimmt, welche Enzyme (Synthasen) in welchen Mengen produziert werden und somit, welche Cannabinoide dominant sein werden. Züchter arbeiten intensiv daran, Sorten zu entwickeln, die gezielt höhere Konzentrationen spezifischer Minor Cannabinoids aufweisen.

  2. Wachstumsbedingungen: Umweltfaktoren wie Lichtspektrum, Temperatur, Nährstoffversorgung und Stress können die Genexpression und somit die Produktion von Cannabinoiden und Terpenen beeinflussen.

  3. Erntezeitpunkt: Der Gehalt bestimmter Cannabinoide verändert sich im Laufe der Reifung der Pflanze. Beispielsweise kann ein späterer Erntezeitpunkt zu höheren CBN-Werten führen, da mehr THC Zeit hatte zu degradieren.

  4. Nacherntebehandlung und Lagerung: Trocknung, Fermentation (Curing) und Lagerbedingungen (Licht, Temperatur, Sauerstoff) können die Cannabinoidprofile weiter verändern, insbesondere durch Decarboxylierung und Degradation.



Das Potenzial der Vielfalt: Der Entourage-Effekt

Die Idee des Entourage-Effekts besagt, dass die verschiedenen Verbindungen in der Cannabis-Pflanze – Cannabinoide, Terpene und Flavonoide – synergistisch zusammenwirken und so eine andere oder stärkere Wirkung erzielen, als es die isolierten Einzelkomponenten tun würden. Minor Cannabinoids spielen in diesem komplexen Zusammenspiel wahrscheinlich eine wichtige Rolle. Sie können:

  • Die Wirkung von THC oder CBD modulieren (z.B. abschwächen oder verstärken).

  • Eigene, einzigartige therapeutische Effekte hinzufügen.

  • Die Bioverfügbarkeit anderer Cannabinoide beeinflussen.

Das Verständnis dieser Synergien ist entscheidend für die Entwicklung von Cannabis-basierten Produkten, die auf spezifische Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Ausblick: Die Zukunft gehört der Präzision

Die Erforschung der Minor Cannabinoids steht noch am Anfang, aber das bisherige Wissen ist äusserst vielversprechend. Sie eröffnen die Möglichkeit, über die breiten Wirkungen von THC und CBD hinauszugehen und präzisere, personalisierte Cannabis-Therapien zu entwickeln. Die gezielte Züchtung von Sorten, die reich an spezifischen Minor Cannabinoids sind – ein Bereich, in dem High Level Genetics eine Vorreiterrolle einnimmt – wird der Schlüssel sein, um das volle medizinische Potenzial dieser faszinierenden Pflanze auszuschöpfen. In den folgenden Kapiteln werden wir tiefer in die Welt jedes einzelnen dieser "Nebendarsteller" eintauchen.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 2):

  • Happyana, N., Agnolet, S., Muntendam, R., Van Dam, A., Schneider, B., & Kayser, O. (2013). Analysis of cannabinoids in laser-microdissected trichomes of medicinal Cannabis sativa using LCMS and cryogenic NMR. Phytochemistry, 87, 51-59. Link: https://doi.org/10.1016/j.phytochem.2012.11.001 (Zeigt die Komplexität der Cannabinoid-Produktion in Trichomen)

  • Russo, E. B. (2011). Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects. British Journal of Pharmacology, 163(7), 1344-1364. Link: https://bpspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1476-5381.2011.01238.x (Fundamentaler Artikel zum Entourage-Effekt)

  • Gülck, T., & Møller, B. L. (2020). Phytocannabinoids: Origins and Biosynthesis. Trends in Plant Science, 25(10), 985-1004. Link: https://doi.org/10.1016/j.tplants.2020.05.005 (Detaillierte Übersicht zur Biosynthese)

  • Appendino, G., Chianese, G., & Taglialatela-Scafati, O. (2011). Cannabinoids: occurrence and medicinal chemistry. Current medicinal chemistry, 18(7), 1085-1099. (Gibt einen Überblick über verschiedene Cannabinoid-Strukturen) Link: https://www.eurekaselect.com/article/37800 (Möglicherweise hinter Paywall, aber Abstract ist informativ)


Kapitel 3: Cannabigerol (CBG) – Das Stammzellen-Cannabinoid und seine vielfältigen Talente

Willkommen zu unserem ersten tiefen Tauchgang in die Welt eines spezifischen Minor Cannabinoids: Cannabigerol, kurz CBG. Wie wir in Kapitel 2 gelernt haben, nimmt CBG eine ganz besondere Stellung in der biochemischen Hierarchie der Cannabis-Pflanze ein. Es ist die nicht-saure Form der Cannabigerolsäure (CBGA), jenes Moleküls, das als direkte Vorstufe für die drei Haupt-Cannabinoid-Linien dient: THCA, CBDA und CBCA. Man könnte CBGA und somit auch CBG als die "Mutter" oder "Stammzelle" der bekannteren Cannabinoide bezeichnen.

Gerade weil CBGA in der Pflanze so effizient in andere Cannabinoide umgewandelt wird, ist der Gehalt an CBG in den meisten reifen Cannabis-Sorten typischerweise sehr gering, oft unter 1%. Doch das wissenschaftliche und medizinische Interesse an CBG selbst ist in den letzten Jahren exponentiell gestiegen. Dies hat Züchter, einschliesslich uns bei High Level Genetics, dazu angespornt, spezielle Sorten zu entwickeln, die genetisch darauf ausgelegt sind, höhere Konzentrationen dieses faszinierenden und nicht-psychoaktiven Cannabinoids zu produzieren.



Ein kurzer Blick auf Chemie und Entdeckung

Cannabigerol wurde erstmals in den 1960er Jahren, etwa zur gleichen Zeit wie THC, von den Pionieren der Cannabinoid-Forschung, Yehiel Gaoni und Raphael Mechoulam, isoliert. Chemisch gesehen ist es ein Diterpenoid. Seine nicht-saure Form (CBG) entsteht durch Decarboxylierung (Entfernung einer Carboxylgruppe durch Hitze) aus CBGA.

Wie CBG im Körper wirkt: Mehr als nur das ECS

Die genauen Wirkmechanismen von CBG sind komplex und Gegenstand intensiver Forschung. Es interagiert mit dem Endocannabinoid-System (ECS), aber seine Effekte gehen weit darüber hinaus und umfassen auch andere Rezeptorsysteme im Körper.

  • Interaktion mit Cannabinoid-Rezeptoren: CBG scheint eine relativ geringe Affinität zu den CB1- und CB2-Rezeptoren zu haben. Einige Studien deuten darauf hin, dass es als schwacher Partialagonist an beiden Rezeptoren wirken kann, während andere es eher als Antagonisten am CB1-Rezeptor beschreiben, was potenziell einige der unerwünschten Effekte von THC mildern könnte. Es gibt auch Hinweise, dass CBG die Wiederaufnahme des Endocannabinoids Anandamid hemmen könnte, was dessen Konzentration im synaptischen Spalt erhöhen und somit die körpereigene "Wohlfühl"-Signalgebung verstärken würde.

  • Alpha-2-Adrenozeptor-Agonist: CBG bindet an Alpha-2-Adrenozeptoren. Diese Rezeptoren sind an der Regulation von Blutdruck, Aufmerksamkeit und Sedierung beteiligt. Eine agonistische Wirkung könnte zu beruhigenden und potenziell blutdrucksenkenden Effekten beitragen.

  • 5-HT1A-Rezeptor-Interaktion: CBG wurde als Antagonist am 5-HT1A-Rezeptor identifiziert. Dieser Serotonin-Rezeptor spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation von Stimmung, Angst und Übelkeit. Die Blockade dieses Rezeptors durch CBG könnte therapeutisches Potenzial bei bestimmten Stimmungs- und Angststörungen haben.

  • TRP-Kanal-Modulation: CBG interagiert mit verschiedenen TRP-Kanälen (Transient Receptor Potential), insbesondere TRPV1, TRPV2, TRPA1 und TRPM8. Diese Kanäle sind an der Wahrnehmung von Schmerz, Temperatur und Entzündungen beteiligt. Die Fähigkeit von CBG, diese Kanäle zu modulieren, könnte seine schmerzlindernden und entzündungshemmenden Eigenschaften erklären.

Es ist wichtig zu betonen, dass viele dieser Mechanismen noch nicht vollständig verstanden sind und weitere Forschung notwendig ist, um das komplexe Zusammenspiel von CBG im menschlichen Körper aufzuklären.

Erforschte und vielversprechende therapeutische Eigenschaften von CBG

Präklinische Studien (in Zellkulturen und an Tiermodellen) haben eine beeindruckende Bandbreite potenzieller therapeutischer Wirkungen von CBG aufgezeigt:

Entzündungshemmende Wirkung

CBG hat starke entzündungshemmende Eigenschaften gezeigt. Besonders vielversprechend sind die Ergebnisse bei entzündlichen Darmerkrankungen (IBD). Eine Studie an Mäusen mit experimentell induzierter Kolitis zeigte, dass CBG die Entzündung und die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies reduzierte und die Normalisierung der Darmfunktion förderte (Borrelli et al., 2013). Eine weitere Untersuchung bestätigte das Potenzial von CBG, Entzündungsmarker in menschlichen Darmepithelzellen zu reduzieren (Nagl et al., 2021). Dies macht CBG zu einem interessanten Kandidaten für die Behandlung von Krankheiten wie Colitis Ulcerosa und Morbus Crohn. Auch bei Hautentzündungen könnte CBG eine Rolle spielen.

Antibakterielle und antimikrobielle Wirkung

Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften von CBG ist seine Fähigkeit, Bakterien abzutöten. Bereits 2008 zeigten Appendino und Kollegen, dass CBG und andere Cannabinoide eine signifikante Aktivität gegen verschiedene Stämme von Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA) aufweisen – einem gefährlichen Krankenhauskeim, der gegen viele gängige Antibiotika resistent ist. Neuere Forschungen von Farha et al. (2020) bestätigten diese Ergebnisse und zeigten, dass CBG die bakterielle Membran stören und die Bildung von Biofilmen verhindern kann. Diese Erkenntnisse eröffnen die Möglichkeit, CBG als Grundlage für neue Antibiotika zu nutzen, insbesondere im Kampf gegen antibiotikaresistente Keime.

Neuroprotektive Eigenschaften

CBG könnte eine schützende Rolle für Nervenzellen spielen. In einer Studie an Mäusen mit einer experimentellen Form der Huntington-Krankheit, einer fortschreitenden neurodegenerativen Erkrankung, verbesserte CBG die motorischen Defizite und schützte Neuronen vor Degeneration. Es reduzierte auch Entzündungsmarker und erhöhte die Expression von antioxidativen Abwehrmechanismen im Gehirn (Valdeolivas et al., 2015). Diese neuroprotektiven und antioxidativen Effekte machen CBG zu einem interessanten Forschungsobjekt für andere neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Multiple Sklerose.

Appetitanregung

Im Gegensatz zu THCV, das eher appetithemmend wirken kann, scheint CBG den Appetit anzuregen. Eine Studie an Ratten zeigte, dass CBG die Nahrungsaufnahme signifikant erhöhte, ohne dabei die bei THC typischen unerwünschten Begleiterscheinungen zu verursachen (Brierley et al., 2016). Dies könnte CBG für Patienten mit Kachexie (krankhafter Abmagerung), Appetitlosigkeit infolge von Chemotherapien oder anderen Erkrankungen wertvoll machen.

Wirkung bei Glaukom (Grüner Star)

Ältere Studien deuten darauf hin, dass CBG, ähnlich wie THC, den Augeninnendruck senken kann, was ein Hauptrisikofaktor für das Glaukom ist (Colasanti, 1990). CBG könnte dies tun, indem es den Abfluss von Kammerwasser aus dem Auge verbessert. Neuere Forschung ist erforderlich, um diese Effekte zu bestätigen und das Potenzial von CBG in der Glaukombehandlung genauer zu untersuchen.

Potenzial bei Krebserkrankungen

Einige präklinische Studien deuten darauf hin, dass CBG das Wachstum von Krebszellen hemmen könnte. Beispielsweise zeigte eine Studie, dass CBG das Wachstum von Darmkrebszellen bei Mäusen verlangsamte und die Apoptose (programmierter Zelltod) dieser Zellen förderte (Borrelli et al., 2014). Es ist jedoch äusserst wichtig zu betonen, dass diese Forschung noch in einem sehr frühen Stadium ist und CBG keinesfalls als Ersatz für etablierte Krebstherapien betrachtet werden darf. Weitere umfangreiche Studien sind notwendig.

Blasenfunktionsstörungen

CBG könnte auch bei Blasenproblemen helfen. Eine Studie untersuchte die Wirkung verschiedener Cannabinoide auf experimentell induzierte Blasenkrämpfe und fand heraus, dass CBG am wirksamsten bei der Reduzierung dieser Kontraktionen war (Pagano et al., 2015). Dies deutet auf ein Potenzial bei der Behandlung von Blasenüberaktivität hin.

Hauterkrankungen

Aufgrund seiner entzündungshemmenden und zellregulierenden Eigenschaften wird CBG auch als potenzielles Mittel zur Behandlung von Hauterkrankungen wie Psoriasis (Schuppenflechte) und Ekzemen erforscht. Es könnte helfen, die übermässige Zellproliferation und Entzündung zu reduzieren, die für diese Erkrankungen charakteristisch sind.

Aktueller Stand der Forschung und Herausforderungen

Obwohl die bisherigen Ergebnisse sehr vielversprechend sind, muss betont werden, dass sich die Forschung zu CBG grösstenteils noch im präklinischen Stadium befindet. Das bedeutet, die meisten Studien wurden an Zellkulturen oder Tiermodellen durchgeführt. Um die Wirksamkeit und Sicherheit von CBG beim Menschen definitiv zu belegen, sind gut konzipierte klinische Studien unerlässlich.

Weitere Herausforderungen sind die Klärung optimaler Dosierungen, Verabreichungsformen und möglicher Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Auch die Bioverfügbarkeit von CBG – also wie gut es vom Körper aufgenommen und verwertet wird – ist ein wichtiger Forschungsaspekt.

CBG-reiche Sorten und Produkte

Dank gezielter Züchtungsarbeit gibt es mittlerweile Cannabis-Sorten, die einen deutlich höheren CBG-Gehalt aufweisen als traditionelle Sorten. Diese "CBG-dominanten" Strains ermöglichen es Forschern und Konsumenten, die spezifischen Effekte von CBG besser zu untersuchen und zu nutzen. Produkte, die CBG enthalten, sind zunehmend verfügbar, oft in Form von Ölen, Extrakten, Tinkturen oder auch als reine CBG-Blüten. High Level Genetics engagiert sich aktiv in der Entwicklung und Bereitstellung von Genetik, die das Potenzial dieses besonderen Cannabinoids widerspiegelt.

Zusammenfassung und Ausblick

Cannabigerol (CBG) ist weit mehr als nur ein "Minor Cannabinoid". Als Vorläufermolekül und mit seinem eigenen, beeindruckenden Spektrum an potenziellen therapeutischen Wirkungen – von entzündungshemmend und antibakteriell bis hin zu neuroprotektiv und appetitanregend – steht es an der Schwelle zu einer breiteren Anerkennung. Die nicht-psychoaktive Natur von CBG macht es besonders attraktiv für medizinische Anwendungen, bei denen die berauschenden Effekte von THC unerwünscht sind.

Die Zukunft von CBG sieht vielversprechend aus. Mit fortschreitender Forschung und der Verfügbarkeit von CBG-reichen Sorten und Produkten werden wir zweifellos noch viel mehr über die "Mutter aller Cannabinoide" und ihre Fähigkeit, Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern, lernen.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 3):

  • Appendino, G., Gibbons, S., Giana, A., Pagani, A., Grassi, G., Stavri, M., ... & Rahman, M. M. (2008). Antibacterial cannabinoids from Cannabis sativa: a structure-activity study. Journal of natural products, 71(8), 1427-1430. Link: https://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/np8002673

  • Borrelli, F., Fasolino, I., Romano, B., Capasso, R., Maiello, F., Coppola, D., ... & Izzo, A. A. (2013). Beneficial effect of the non-psychotropic plant cannabinoid cannabigerol on experimental inflammatory bowel disease. Biochemical pharmacology, 85(9), 1306-1316. Link: https://doi.org/10.1016/j.bcp.2013.01.017

  • Borrelli, F., Pagano, E., Romano, B., Panzera, S., Maiello, F., Coppola, D., ... & Izzo, A. A. (2014). Colon carcinogenesis is inhibited by the TRPM8 antagonist cannabigerol, a Cannabis-derived non-psychotropic cannabinoid. Carcinogenesis, 35(12), 2787-2797. Link: https://doi.org/10.1093/carcin/bgu205

  • Brierley, D. I., Samuels, J., Duncan, M., Whalley, B. J., & Williams, C. M. (2016). Cannabigerol is a novel, well-tolerated appetite stimulant in pre-satiated rats. Psychopharmacology, 233(19-20), 3603-3613. Link: https://link.springer.com/article/10.1007/s00213-016-4397-4

  • Colasanti, B. K. (1990). A comparison of the ocular and central effects of delta 9-tetrahydrocannabinol and cannabigerol. Journal of ocular pharmacology, 6(4), 259-269. Link: https://www.liebertpub.com/doi/abs/10.1089/jop.1990.6.259

  • Farha, M. A., El-Halfawy, O. M., Gale, R. T., MacNair, C. R., Carfrae, L. A., Zhang, X., ... & Brown, E. D. (2020). Uncovering the hidden antibiotic potential of cannabis. ACS infectious diseases, 6(3), 338-346. Link: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsinfecdis.9b00419

  • Nagl, M., Storr, M., & Schicho, R. (2021). Cannabigerol (CBG) inhibits neurogenic contractility and exerts anti-inflammatory actions in the mouse and human colon. Neurogastroenterology & Motility, 33(2), e13982. Link: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/nmo.13982 (Hinweis: Der Titel dieser Studie legt Fokus auf Darmmotilität, aber sie enthält auch Daten zu Entzündungsmarkern.)

  • Pagano, E., Montanaro, V., Di Girolamo, A., Pistone, A., Altieri, V., Zjawiony, J. K., ... & Izzo, A. A. (2015). Effect of non-psychotropic plant-derived cannabinoids on bladder contractility: focus on cannabigerol. Natural product communications, 10(6), 1934578X1501000608. Link: https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1934578X1501000608

  • Valdeolivas, S., Navarrete, C., Cantarero, I., Bellido, M. L., Muñoz, E., & Sagredo, O. (2015). Neuroprotective properties of cannabigerol in Huntington’s disease: studies in R6/2 mice and 3-nitropropionate-lesioned mice. Neurotherapeutics, 12(1), 185-199. Link: https://link.springer.com/article/10.1007/s13311-014-0304-z


Kapitel 4: Cannabinol (CBN) – Mehr als nur "altes" THC?

Nachdem wir uns mit dem "Mutter-Cannabinoid" CBG beschäftigt haben, wenden wir uns nun einem weiteren faszinierenden Nebencannabinoid zu: Cannabinol, kurz CBN. CBN hat sich in der Cannabis-Community einen gewissen Ruf erworben, insbesondere als das Cannabinoid, das für die oft berichtete schläfrige Wirkung von gealtertem oder schlecht gelagertem Cannabis verantwortlich sein soll. Doch ist CBN wirklich nur ein Nebenprodukt des Verfalls oder besitzt es eigene, interessante pharmakologische Eigenschaften, die es wert sind, genauer betrachtet zu werden?

Im Gegensatz zu THC, CBD oder CBG, die direkt durch enzymatische Prozesse aus ihren sauren Vorläufern in der Pflanze gebildet werden, ist CBN primär ein Oxidationsprodukt von Tetrahydrocannabinol (THC). Wenn Cannabis über längere Zeit Sauerstoff, Licht und Wärme ausgesetzt wird, degradiert THCA (Tetrahydrocannabinolsäure) bzw. das daraus durch Decarboxylierung entstandene THC und wandelt sich in CBNA (Cannabinolsäure) bzw. CBN um. Obwohl es in frischem Pflanzenmaterial meist nur in Spuren vorkommt, kann sein Gehalt in älteren Proben deutlich ansteigen.



Ein kurzer Blick auf Chemie und Entdeckung

Cannabinol war tatsächlich eines der ersten Cannabinoide, das isoliert wurde – bereits Ende des 19. Jahrhunderts, noch bevor seine genaue Struktur oder die Struktur von THC bekannt war. Seine chemische Struktur ähnelt der von THC, weist aber zusätzliche Doppelbindungen im Ringsystem auf, die durch den Oxidationsprozess entstehen. Diese strukturelle Veränderung ist massgeblich für die veränderten pharmakologischen Eigenschaften von CBN im Vergleich zu THC verantwortlich, insbesondere für die deutlich reduzierte Psychoaktivität.

Wie wirkt CBN im Körper? Ein sanfterer Akteur

CBN interagiert, wie andere Cannabinoide auch, mit dem Endocannabinoid-System (ECS), allerdings mit einem anderen Rezeptorbindungsprofil als THC:

  • Interaktion mit CB1-Rezeptoren: CBN bindet an CB1-Rezeptoren, jedoch mit einer deutlich geringeren Affinität als THC – Schätzungen reichen von etwa 10% bis 25% der Potenz von THC. Diese schwächere Bindung erklärt, warum CBN nur sehr milde bis gar keine psychoaktiven Effekte hervorruft, insbesondere in den Mengen, in denen es typischerweise konsumiert wird.

  • Interaktion mit CB2-Rezeptoren: CBN zeigt eine etwas höhere Affinität zu CB2-Rezeptoren als zu CB1-Rezeptoren. Da CB2-Rezeptoren vorwiegend auf Zellen des Immunsystems und im peripheren Gewebe zu finden sind, deutet dies auf ein Potenzial für immunmodulatorische und entzündungshemmende Wirkungen hin.

  • Andere mögliche Zielstrukturen: Es gibt Hinweise darauf, dass CBN auch mit anderen Rezeptorsystemen interagieren könnte, beispielsweise mit bestimmten TRP-Kanälen (wie TRPV2), was zu seinen schmerzlindernden Eigenschaften beitragen könnte.

Erforschte und vielversprechende therapeutische Eigenschaften von CBN

Obwohl die Forschung zu CBN nicht so umfangreich ist wie zu THC oder CBD, gibt es einige interessante Hinweise auf sein therapeutisches Potenzial:

Sedierung und Schlafunterstützung

Dies ist wohl die bekannteste Eigenschaft, die CBN zugeschrieben wird. Anekdotische Berichte und einige ältere Studien deuten darauf hin, dass CBN schlaffördernd wirken könnte. Eine oft zitierte Studie aus dem Jahr 1975 von Karniol und Kollegen untersuchte die Wirkung von CBN in Kombination mit THC und fand heraus, dass die Kombination stärkere Sedierungseffekte hervorrief als THC allein. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die sedierende Wirkung von gealtertem Cannabis auch auf dem sogenannten Entourage-Effekt beruhen könnte, bei dem CBN mit bestimmten Terpenen (wie Myrcen, das ebenfalls für seine beruhigenden Eigenschaften bekannt ist) und anderen Abbauprodukten synergistisch wirkt. Studien mit isoliertem CBN haben oft nur milde oder keine signifikanten sedierenden Effekte beim Menschen gezeigt. Die Forschung hierzu ist also noch nicht abgeschlossen und bedarf moderner, kontrollierter Studien.

Schmerzlinderung (Analgesie)

CBN könnte analgetische Eigenschaften besitzen. Eine Studie von Wong und Cairns (2019) an Ratten zeigte, dass CBN Schmerzen lindern kann, die von Muskelgewebe ausgehen (myofasziale Schmerzen). Die Forscher vermuten, dass diese Wirkung über die Freisetzung von schmerzlindernden Peptiden aus sensorischen Nerven erfolgt und möglicherweise über die Aktivierung von TRP-Kanälen vermittelt wird. CBN könnte auch synergistisch mit CBD wirken, um Schmerzen zu lindern.

Entzündungshemmende Wirkung

Ähnlich wie andere Cannabinoide hat auch CBN in präklinischen Modellen entzündungshemmende Eigenschaften gezeigt. Dies könnte es potenziell nützlich für die Behandlung von entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis machen, obwohl hier spezifische Studien am Menschen fehlen.

Antibakterielle Wirkung

Wie CBG scheint auch CBN eine gewisse antibakterielle Aktivität zu besitzen. Die Studie von Appendino et al. (2008), die bereits im CBG-Kapitel erwähnt wurde, fand heraus, dass CBN ebenfalls gegen bestimmte Stämme von Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA) wirksam ist.

Appetitanregung

Obwohl THC als der primäre Appetitstimulans unter den Cannabinoiden gilt, deuten einige Tierstudien darauf hin, dass auch CBN den Appetit anregen könnte. Eine Studie von Farrimond et al. (2012) an Ratten zeigte, dass CBN die Nahrungsaufnahme erhöhte, was auf ein Potenzial bei Appetitlosigkeit hindeuten könnte.

Neuroprotektive Eigenschaften

Die Forschung zu den neuroprotektiven Eigenschaften von reinem CBN ist noch begrenzt. Es gibt jedoch Hinweise aus Studien zu verwandten Verbindungen oder aus der Grundlagenforschung, dass Cannabinoide generell neuroprotektive Effekte haben können. Weitere spezifische Untersuchungen sind hier notwendig.

Potenzial bei Hauterkrankungen

Ein spannendes neues Forschungsfeld für CBN ist die Dermatologie. Präklinische Studien, unter anderem von dem Pharmaunternehmen InMed Pharmaceuticals, deuten darauf hin, dass CBN Potenzial bei der Behandlung seltener genetischer Hauterkrankungen wie Epidermolysis bullosa haben könnte, indem es Entzündungen reduziert und möglicherweise die Wundheilung unterstützt.

Knochenbildung und -heilung

Es gibt vereinzelte Hinweise aus der Forschung, dass bestimmte Cannabinoide, darunter möglicherweise auch CBN oder verwandte Moleküle, die Aktivität von knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) stimulieren und so zur Knochenheilung und -gesundheit beitragen könnten. Diese Forschungsrichtung steht jedoch noch am Anfang.

Aktueller Stand der Forschung und Herausforderungen

Die wissenschaftliche Datenlage zu CBN ist im Vergleich zu THC und CBD noch relativ dünn, und viele der ihm zugeschriebenen Wirkungen bedürfen weiterer Bestätigung durch moderne, placebo-kontrollierte Humanstudien. Eine besondere Herausforderung besteht darin, die spezifischen Effekte von isoliertem CBN von den Gesamteffekten gealterten Cannabis zu unterscheiden, das eine komplexe Mischung aus verschiedenen Cannabinoiden, Terpenen und anderen Abbauprodukten enthält.

Die Standardisierung von CBN-Produkten und die Klärung optimaler Dosierungen sind weitere wichtige Schritte für die zukünftige Forschung und mögliche therapeutische Anwendungen.

CBN in Cannabis: Vorkommen und Produkte

Wie bereits erwähnt, ist CBN typischerweise in höheren Konzentrationen in Cannabis-Material zu finden, das über einen längeren Zeitraum oder unter suboptimalen Bedingungen (Licht, Wärme, Sauerstoff) gelagert wurde. Gezielte Züchtung auf hohe CBN-Gehalte ist schwierig, da es ein Abbauprodukt ist.

Dennoch nimmt die Verfügbarkeit von spezifischen CBN-Produkten auf dem Markt zu. Diese werden oft durch gezielte Umwandlung von THC oder durch Extraktion aus speziell behandeltem Pflanzenmaterial gewonnen. Man findet CBN-Öle, -Tinkturen, -Kapseln und auch Edibles, häufig in Kombination mit CBD oder THC, um bestimmte Effekte, insbesondere die Schlafunterstützung, zu fördern.

Zusammenfassung und Ausblick

Cannabinol (CBN) ist weit mehr als nur ein Indikator für "altes" Cannabis. Obwohl sein Ruf als "Schlaf-Cannabinoid" weiterer wissenschaftlicher Fundierung bedarf, wenn es um die Wirkung von reinem CBN geht, deuten präklinische Studien auf ein interessantes Spektrum eigener pharmakologischer Eigenschaften hin. Dazu gehören potenzielle schmerzlindernde, entzündungshemmende, antibakterielle und möglicherweise appetitanregende Wirkungen.

Die milde Psychoaktivität macht es zu einem interessanten Kandidaten für therapeutische Anwendungen, bei denen die berauschenden Effekte von THC vermieden werden sollen. Die Zukunft von CBN liegt wahrscheinlich in der präzisen Kombination mit anderen Cannabinoiden und Terpenen, um gezielte synergistische Effekte zu erzielen, sowie in der weiteren Erforschung seiner spezifischen Potenziale, beispielsweise in der Dermatologie. Es bleibt ein spannendes Feld für die Cannabis-Forschung und Produktentwicklung.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 4):


Kapitel 5: Tetrahydrocannabivarin (THCV) – Das energetisierende Cannabinoid mit speziellen Effekten

Nachdem wir uns mit CBG und dem eher beruhigend wirkenden CBN beschäftigt haben, tauchen wir nun ein in die Welt eines Cannabinoids, das oft mit ganz anderen Eigenschaften in Verbindung gebracht wird: Tetrahydrocannabivarin, kurz THCV. In der Cannabis-Community und in ersten wissenschaftlichen Untersuchungen wird THCV häufig als das "Sportwagen-Cannabinoid" oder sogar als "Diät-Cannabis" bezeichnet, da es mit stimulierenden und potenziell appetithemmenden Effekten assoziiert wird.

Obwohl THCV strukturell ein Homolog von THC ist – es besitzt eine kürzere Propyl-Seitenkette anstelle der Pentyl-Seitenkette von THC – unterscheidet es sich in seiner Wirkung oft deutlich von seinem bekannteren Verwandten. THCV entsteht in der Pflanze nicht aus der Cannabigerolsäure (CBGA)-Linie, sondern aus der Cannabigerovarinsäure (CBGVA), die durch das Enzym THCV-Synthase in Tetrahydrocannabivarinsäure (THCVA) umgewandelt wird. Durch Decarboxylierung entsteht daraus dann THCV. Es kommt typischerweise in höheren Konzentrationen in bestimmten, oft reinen Sativa-Landrassen vor, insbesondere solchen aus Afrika (z.B. Durban Poison).



Ein kurzer Blick auf Chemie und Entdeckung

THCV wurde erstmals in den frühen 1970er Jahren identifiziert. Der entscheidende strukturelle Unterschied zu THC ist die um zwei Kohlenstoffatome verkürzte Alkyl-Seitenkette (eine Propyl- statt einer Pentylkette). Diese scheinbar kleine Modifikation hat erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise, wie THCV mit den Cannabinoid-Rezeptoren und anderen Zielstrukturen im Körper interagiert.

Wie wirkt THCV im Körper? Ein komplexer Modulator des ECS

Die Pharmakologie von THCV ist besonders faszinierend und komplex, da es eine sogenannte biphasische Wirkung auf den CB1-Rezeptor zeigen kann, was bedeutet, dass seine Effekte stark von der Dosis abhängen:

  • Bei niedrigen Dosen: In geringeren Konzentrationen verhält sich THCV oft als neutraler Antagonist oder inverser Agonist am CB1-Rezeptor. Das bedeutet, es kann die Bindungsstelle des CB1-Rezeptors blockieren, ohne ihn selbst zu aktivieren, oder sogar die Grundaktivität des Rezeptors reduzieren. Dadurch kann es die Effekte von CB1-Agonisten wie THC oder dem körpereigenen Anandamid abschwächen oder aufheben. Diese Eigenschaft ist wahrscheinlich für die berichtete Appetithemmung und die potenziell anti-psychoaktiven Wirkungen bei niedrigen Dosen verantwortlich. In diesem Dosisbereich ist THCV in der Regel nicht oder nur sehr schwach psychoaktiv.

  • Bei hohen Dosen: In höheren Konzentrationen kann THCV jedoch als Agonist am CB1-Rezeptor wirken und somit psychoaktive Effekte hervorrufen, die denen von THC ähneln. Viele Nutzer beschreiben diese Effekte jedoch als klarer, stimulierender und von kürzerer Dauer als ein typischer THC-Rausch.

Darüber hinaus interagiert THCV auch mit anderen Rezeptoren:

  • CB2-Rezeptoren: THCV kann CB2-Rezeptoren aktivieren (Agonist), was auf entzündungshemmende und immunmodulatorische Potenziale hindeutet, ähnlich wie bei anderen Cannabinoiden.

  • TRP-Kanäle: Es gibt Hinweise auf Interaktionen mit verschiedenen TRP-Kanälen (z.B. TRPV1, TRPV2, TRPV3, TRPV4, TRPA1), was zu seinen analgetischen und entzündungshemmenden Eigenschaften beitragen könnte.

  • 5-HT1A-Rezeptoren: Eine mögliche Modulation dieser Serotonin-Rezeptoren könnte an potenziellen anxiolytischen (angstlösenden) Effekten beteiligt sein.

  • GPR55-Rezeptor: THCV könnte auch den GPR55-Rezeptor modulieren, der eine Rolle im Energiestoffwechsel und bei Entzündungsprozessen spielt.

Erforschte und vielversprechende therapeutische Eigenschaften von THCV

Die einzigartigen pharmakologischen Eigenschaften von THCV haben zu einer Reihe von Forschungsarbeiten geführt, die sein therapeutisches Potenzial in verschiedenen Bereichen untersuchen:

Appetitregulierung und Gewichtsmanagement

Dies ist einer der am besten untersuchten und bekanntesten potenziellen Vorteile von THCV. Aufgrund seiner antagonistischen Wirkung am CB1-Rezeptor bei niedrigen Dosen könnte THCV helfen, den Appetit zu zügeln und das Sättigungsgefühl zu fördern. Tierstudien haben gezeigt, dass THCV die Nahrungsaufnahme reduzieren und zu einer Gewichtsabnahme führen kann (Riedel et al., 2009). Eine Humanstudie von Wargent et al. (2013) deutete ebenfalls auf ein Potenzial zur Reduktion des Körperfetts und zur Erhöhung des Energieverbrauchs hin. Dies macht THCV zu einem vielversprechenden Kandidaten für die Behandlung von Adipositas und damit verbundenen Stoffwechselstörungen.

Blutzuckerkontrolle und Diabetes (Typ 2)

Eng verbunden mit dem Gewichtsmanagement ist das Potenzial von THCV bei Diabetes. Eine randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie an Patienten mit Typ-2-Diabetes (Jadoon et al., 2016) zeigte, dass THCV den Nüchternblutzuckerspiegel signifikant senkte, die Funktion der Betazellen (insulinproduzierende Zellen in der Bauchspeicheldrüse) verbesserte und Entzündungsmarker reduzierte. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass THCV ein wertvolles therapeutisches Mittel zur Blutzuckerkontrolle sein könnte.

Neuroprotektive Eigenschaften und Parkinson-Krankheit

Präklinische Studien haben gezeigt, dass THCV antioxidative und neuroprotektive Eigenschaften besitzt. In einem Tiermodell der Parkinson-Krankheit konnte THCV motorische Symptome lindern, den Verlust von Dopamin-produzierenden Neuronen verlangsamen und Entzündungsreaktionen im Gehirn reduzieren (García et al., 2011). Diese Effekte scheinen sowohl über CB2-Rezeptoren als auch über andere Mechanismen vermittelt zu werden.

Anxiolytische (angstlösende) Wirkung

Obwohl hohe Dosen von THC manchmal Angstzustände auslösen können, deuten einige Forschungen darauf hin, dass THCV, insbesondere in niedrigeren Dosen, angstlösende Eigenschaften haben könnte. Dies könnte durch seine antagonistische Wirkung am CB1-Rezeptor oder durch die Modulation von 5-HT1A-Serotoninrezeptoren geschehen. Es gibt Interesse an seinem Potenzial bei der Behandlung von Panikattacken und posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), da es möglicherweise hilft, Angstreaktionen zu reduzieren, ohne die emotionale Verarbeitung negativ zu beeinflussen.

Entzündungshemmende Wirkung

Durch die Aktivierung von CB2-Rezeptoren und die Modulation von TRP-Kanälen zeigt THCV, ähnlich wie andere Cannabinoide, entzündungshemmendes Potenzial, das bei verschiedenen entzündlichen Erkrankungen von Nutzen sein könnte.

Knochengesundheit

Es gibt Hinweise darauf, dass THCV die Proliferation von knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) fördern und somit zur Knochengesundheit und potenziell zur Heilung von Frakturen beitragen könnte. Diese Effekte könnten über CB2-Rezeptoren und andere Signalwege vermittelt werden.

Potenzial bei Epilepsie/Krampfanfällen

Einige Studien deuten darauf hin, dass THCV antikonvulsive Eigenschaften haben könnte. Eine Studie von Hill et al. (2010) zeigte, dass THCV die Anfallsaktivität in einem Tiermodell der Epilepsie reduzieren konnte.

Psychoaktivität von THCV: Eine Frage der Dosis

Es ist wichtig, die dosisabhängige Psychoaktivität von THCV zu verstehen. Während niedrige Dosen in der Regel als nicht-psychoaktiv oder sogar als psychoaktivitätsmindernd (im Kontext von THC) beschrieben werden, können höhere Dosen einen Rauschzustand hervorrufen. Dieser wird oft als energetischer, euphorischer und klarer im Kopf beschrieben als der typische THC-Rausch und soll auch von kürzerer Dauer sein. Konsumenten sollten sich dieser biphasischen Natur bewusst sein.

Aktueller Stand der Forschung und Herausforderungen

Obwohl die präklinischen Daten und einige erste Humanstudien sehr vielversprechend sind, steht die Forschung zu THCV noch relativ am Anfang. Die komplexe, dosisabhängige Wirkung erfordert sorgfältig konzipierte Studien, um die optimalen Dosierungen für verschiedene Anwendungen zu ermitteln. Die Verfügbarkeit von standardisierten THCV-reichen Cannabis-Sorten und -Produkten war lange Zeit eine Herausforderung, verbessert sich aber zusehends durch gezielte Züchtungsbemühungen.

THCV in Cannabis: Vorkommen und Produkte

Wie bereits erwähnt, findet man THCV natürlicherweise in höheren Konzentrationen vor allem in bestimmten afrikanischen Sativa-Landrassen. Durch selektive Züchtung ist es jedoch gelungen, Sorten zu entwickeln, die einen deutlich höheren THCV-Gehalt aufweisen. Diese sind zunehmend auf dem Markt verfügbar, ebenso wie Extrakte und andere Produkte, die oft speziell für ihre potenziell energetisierenden oder appetitzügelnden Eigenschaften beworben werden.

Zusammenfassung und Ausblick

Tetrahydrocannabivarin (THCV) ist ein einzigartiges Cannabinoid mit einem faszinierenden und komplexen Wirkungsprofil. Sein Potenzial in Bereichen wie Gewichtsmanagement, Diabeteskontrolle, neuroprotektive Therapien und möglicherweise Angststörungen macht es zu einem der spannendsten Minor Cannabinoids in der aktuellen Forschung. Die oft als "Diät-Weed" oder "Sportwagen-Cannabinoid" bezeichneten Eigenschaften sind zwar populäre Vereinfachungen, spiegeln aber das grosse Interesse und die vielversprechenden Hinweise auf seine besonderen Effekte wider. Mit fortschreitender Forschung und verbesserter Verfügbarkeit wird THCV zweifellos eine immer wichtigere Rolle in der Entwicklung neuer Cannabis-basierter Therapeutika und Produkte spielen.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 5):


Kapitel 6: Cannabidivarin (CBDV) – Der stille Helfer bei neurologischen Themen?

Wir setzen unsere Reise durch die Welt der Minor Cannabinoids fort und richten unseren Fokus nun auf Cannabidivarin, kurz CBDV. Ähnlich wie THCV ein Homolog von THC ist, ist CBDV ein Homolog von Cannabidiol (CBD). Das bedeutet, es teilt eine ähnliche Grundstruktur mit CBD, besitzt jedoch eine kürzere Propyl-Seitenkette anstelle der längeren Pentyl-Seitenkette, die für CBD charakteristisch ist. Diese strukturelle Ähnlichkeit, aber auch die feinen Unterschiede, führen zu einem eigenen pharmakologischen Profil.

CBDV entsteht in der Pflanze über denselben Biosyntheseweg wie THCV, nämlich aus Cannabigerovarinsäure (CBGVA). CBGVA wird durch das Enzym CBDVA-Synthase in Cannabidivarinsäure (CBDVA) umgewandelt, woraus dann durch Decarboxylierung CBDV entsteht. Wie CBD ist auch CBDV nicht-psychoaktiv, was es zu einem besonders interessanten Kandidaten für therapeutische Anwendungen macht, bei denen berauschende Effekte unerwünscht sind. Die Forschung zu CBDV konzentriert sich zunehmend auf sein Potenzial bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen, insbesondere bei Epilepsie und Autismus-Spektrum-Störungen.

Ein kurzer Blick auf Chemie und Entdeckung

CBDV wurde erstmals in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren identifiziert. Es kommt tendenziell in höheren Konzentrationen in Indica-Landrassen vor, die oft aus Regionen wie Nordwestindien, Pakistan und Nepal stammen, sowie in Cannabis-Sorten, die generell einen höheren CBD-Gehalt aufweisen. Die chemische Ähnlichkeit zu CBD ist offensichtlich, doch die verkürzte Seitenkette beeinflusst, wie es mit Zielstrukturen im Körper interagiert.

Wie wirkt CBDV im Körper? Mechanismen jenseits der klassischen Pfade

Die Wirkmechanismen von CBDV sind komplex und scheinen, ähnlich wie bei CBD, weniger über eine direkte starke Bindung an die klassischen CB1- und CB2-Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems zu laufen. Stattdessen entfaltet CBDV seine Effekte wahrscheinlich über eine Modulation verschiedener anderer Zielstrukturen:

  • TRP-Kanäle (Transient Receptor Potential Channels): CBDV zeigt eine signifikante Interaktion mit verschiedenen TRP-Kanälen, insbesondere TRPV1 (Capsaicin-Rezeptor), TRPV2 und TRPA1. Diese Ionenkanäle spielen eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung von Schmerz, Temperatur, Entzündungen und auch bei der neuronalen Erregbarkeit. Die Desensibilisierung oder Modulation dieser Kanäle durch CBDV könnte viele seiner therapeutischen Effekte erklären, einschliesslich seiner antikonvulsiven und schmerzlindernden Eigenschaften.

  • GPR55-Rezeptor: Es gibt Hinweise darauf, dass CBDV als Antagonist am GPR55-Rezeptor wirken könnte. Da GPR55 als potenzieller "dritter Cannabinoid-Rezeptor" gilt und an der Regulation der neuronalen Erregbarkeit beteiligt ist (eine Überaktivierung wird mit erhöhter Anfallsneigung in Verbindung gebracht), könnte die Blockade dieses Rezeptors durch CBDV zu seinen antiepileptischen Effekten beitragen.

  • Hemmung der Diacylglycerol-Lipase-Alpha (DAGLα): Dieses Enzym ist für die Synthese des wichtigen Endocannabinoids 2-Arachidonylglycerol (2-AG) verantwortlich. CBDV könnte DAGLα hemmen und somit die 2-AG-Spiegel senken. Da 2-AG ein wichtiger Agonist an CB1-Rezeptoren ist, könnte eine Reduktion seiner Verfügbarkeit bestimmte neuronale Signalwege modulieren, was bei neurologischen Störungen relevant sein könnte.

  • Einfluss auf die Genexpression: Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass CBDV die Expression bestimmter Gene beeinflussen kann, die mit neurologischen Entwicklungsstörungen wie dem Autismus-Spektrum in Verbindung stehen.



Erforschte und vielversprechende therapeutische Eigenschaften von CBDV

Die Forschung zu CBDV hat in den letzten Jahren deutlich an Fahrt gewonnen, insbesondere im Bereich neurologischer Erkrankungen:

Epilepsie und Krampfanfälle

Dies ist eines der am intensivsten erforschten Anwendungsgebiete für CBDV. Mehrere präklinische Studien an Tiermodellen haben gezeigt, dass CBDV antikonvulsive Wirkungen bei verschiedenen Arten von Anfällen besitzt, ohne dabei signifikante motorische Nebenwirkungen zu verursachen (Hill et al., 2012; Amada et al., 2013). Es scheint die neuronale Übererregbarkeit zu reduzieren, möglicherweise durch seine Wirkung auf TRP-Kanäle und GPR55. Pharmaunternehmen wie GW Pharmaceuticals (jetzt Teil von Jazz Pharmaceuticals), die bereits erfolgreich CBD-basierte Medikamente gegen Epilepsie entwickelt haben, forschen auch intensiv an CBDV. Erste kleine klinische Studien deuten auf ein Potenzial hin, auch bei Patienten mit schwer behandelbaren Epilepsieformen. Es wird auch untersucht, ob CBDV synergistisch mit CBD oder anderen Antiepileptika wirken kann.

Autismus-Spektrum-Störungen (ASS)

CBDV zeigt grosses Potenzial bei der Behandlung einiger Kernsymptome von Autismus-Spektrum-Störungen. Präklinische Studien haben ergeben, dass CBDV soziale Defizite, repetitive Verhaltensweisen und kognitive Rigidität in ASS-Modellen verbessern kann (Pretzsch et al., 2019). Es wird vermutet, dass CBDV das Gleichgewicht zwischen exzitatorischer (Glutamat) und inhibitorischer (GABA) Neurotransmission im Gehirn wiederherstellen könnte, das bei ASS oft gestört ist. Mehrere klinische Studien, darunter auch solche mit Kindern, sind im Gange oder wurden kürzlich abgeschlossen, um die Wirksamkeit und Sicherheit von CBDV bei ASS zu untersuchen. Die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet.

Rett-Syndrom

Das Rett-Syndrom ist eine seltene, aber schwere genetisch bedingte neurologische Entwicklungsstörung, die hauptsächlich Mädchen betrifft und zu erheblichen kognitiven und motorischen Beeinträchtigungen führt. CBDV wird als mögliche Therapie zur Linderung einiger Symptome des Rett-Syndroms erforscht. Präklinische Studien deuten darauf hin, dass CBDV motorische Defizite und anfallsähnliche Aktivitäten in Modellen des Rett-Syndroms verbessern könnte (Vigli et al., 2018).

Muskeldystrophie Duchenne (DMD)

DMD ist eine fortschreitende, genetisch bedingte Muskelerkrankung, die zu Muskelschwund und Entzündungen führt. Präklinische Forschung hat gezeigt, dass CBDV bei DMD-Mausmodellen Entzündungen reduzieren, die Muskelfunktion verbessern und den fortschreitenden Muskelabbau verlangsamen kann (Iannotti et al., 2019). Diese Effekte scheinen über die Modulation von TRP-Kanälen und die Reduktion von Entzündungsfaktoren vermittelt zu werden.

Übelkeit und Erbrechen

Ähnlich wie CBD und andere Cannabinoide könnte auch CBDV antiemetische (gegen Übelkeit und Erbrechen gerichtete) Eigenschaften besitzen. Studien an Tiermodellen deuten darauf hin, dass CBDV Übelkeit, die durch verschiedene Stimuli ausgelöst wird, reduzieren kann (Rock et al., 2013). Diese Wirkung könnte über die Modulation von Serotonin-Rezeptoren (insbesondere 5-HT1A) und TRP-Kanälen erfolgen.

Entzündliche Darmerkrankungen (IBD)

Aufgrund seiner nachgewiesenen entzündungshemmenden Wirkungen, die teilweise über die Modulation von TRP-Kanälen vermittelt werden, wird auch das Potenzial von CBDV bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa untersucht.

Aktueller Stand der Forschung und Herausforderungen

Obwohl die präklinischen Daten sehr ermutigend sind und erste klinische Studien positive Signale senden, befindet sich die Forschung zu CBDV insgesamt noch in einem früheren Stadium als beispielsweise bei CBD. Die grössten Hoffnungen liegen derzeit auf der Behandlung von Epilepsie und Autismus-Spektrum-Störungen.

Die Herausforderungen ähneln denen anderer Minor Cannabinoids: Es bedarf weiterer grossangelegter, randomisierter, placebo-kontrollierter klinischer Studien, um die Wirksamkeit, optimale Dosierungen, Langzeitsicherheit und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten umfassend zu klären. Die Entwicklung standardisierter CBDV-reicher Produkte ist ebenfalls ein wichtiger Faktor.

CBDV in Cannabis: Vorkommen und Produkte

CBDV kommt in den meisten Cannabis-Sorten nur in geringen Mengen vor. Es findet sich tendenziell häufiger in CBD-reichen Sorten und in bestimmten Indica-Landrassen aus Asien. Durch gezielte Züchtungsprogramme wird jedoch daran gearbeitet, Sorten mit einem höheren CBDV-Gehalt zu entwickeln, um die Forschung zu erleichtern und spezifische CBDV-Produkte herstellen zu können. Die Verfügbarkeit von reinen CBDV-Ölen oder -Extrakten ist noch begrenzt, nimmt aber langsam zu, oft im Kontext von spezialisierten Anbietern oder im Rahmen von klinischen Studien.

Zusammenfassung und Ausblick

Cannabidivarin (CBDV) ist ein nicht-psychoaktives Cannabinoid, das sich als "stiller Helfer" mit erheblichem Potenzial für eine Reihe von schwerwiegenden neurologischen Erkrankungen entpuppt. Seine einzigartigen Wirkmechanismen, die oft über TRP-Kanäle und andere Zielstrukturen jenseits der klassischen Cannabinoid-Rezeptoren laufen, unterscheiden es von vielen anderen Cannabinoiden.

Die Tatsache, dass es keine berauschenden Effekte hervorruft, macht es besonders attraktiv für die Behandlung von Kindern und anderen vulnerablen Patientengruppen. Während die Forschung weiter voranschreitet, besteht die Hoffnung, dass CBDV bald eine wichtige Rolle in der Therapie von Epilepsie, Autismus-Spektrum-Störungen und möglicherweise anderen neurologischen und entzündlichen Erkrankungen spielen könnte. Es unterstreicht einmal mehr die unglaubliche Vielfalt und das therapeutische Potenzial, das in der Cannabis-Pflanze verborgen liegt.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 6):

  • Hill, T. D. M., Cascio, M.-G., Romano, B., Duncan, M., Pertwee, R. G., Williams, C. M., ... & Hill, A. J. (2012). Cannabidivarin-rich cannabis extracts are anticonvulsant in mouse and rat via a CB1 receptor-independent mechanism. British journal of pharmacology, 170(3), 679-692. Link: https://bpspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/bph.12266

  • Amada, N., Yamasaki, Y., Williams, C. M., & Whalley, B. J. (2013). Cannabidivarin (CBDV) suppresses pentylenetetrazole (PTZ)-induced increases in epilepsy-related gene expression. PeerJ, 1, e214. Link: https://peerj.com/articles/214/

  • Pretzsch, C. M., Voinescu, B., Lythgoe, D., Horder, J., Mendez, M. A., Wichers, R., ... & McAlonan, G. M. (2019). Effects of cannabidivarin (CBDV) on brain connectivity in people with and without Autism Spectrum Disorder (ASD). Translational psychiatry, 9(1), 313. Link: https://www.nature.com/articles/s41398-019-0654-8 (Bezieht sich auf eine Studie zu Gehirnkonnektivität, relevant für ASS-Forschung)

  • Vigli, D., Cosentino, L., Raggi, C., Laviola, G., Woolley-Roberts, M., & De Filippis, B. (2018). Chronic treatment with the phytocannabinoid Cannabidivarin (CBDV) rescues behavioural alterations and brain atrophy in a mouse model of Rett syndrome. Neuropharmacology, 140, 121-129. Link: https://doi.org/10.1016/j.neuropharm.2018.07.029

  • Iannotti, F. A., Pagano, E., Moriello, A. S., Alvino, F. G., Sorrentino, N. C., D'Orsi, L., ... & Di Marzo, V. (2019). Effects of non-euphoric plant cannabinoids on muscle quality and performance of dystrophic mdx mice. British journal of pharmacology, 176(10), 1568-1584. Link: https://bpspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/bph.14460

  • Rock, E. M., Sticht, M. A., Limebeer, C. L., & Parker, L. A. (2013). Cannabinoid regulation of acute and anticipatory nausea. Cannabis and cannabinoid research, 1(1), 113-121. Link: https://www.liebertpub.com/doi/full/10.1089/can.2016.0006 (Review, der auch CBDV erwähnt)


Kapitel 7: Cannabichromen (CBC) – Der Teamplayer mit Fokus auf Entzündung und Schmerz

Unsere Erkundung der faszinierenden Welt der Minor Cannabinoids führt uns nun zu Cannabichromen, abgekürzt CBC. Obwohl es oft zu den sechs häufigsten Cannabinoiden in der Pflanze gezählt wird (neben THC, CBD, CBG, CBN und THCV), steht CBC seltener im Rampenlicht als seine bekannteren Verwandten. Das ist jedoch keineswegs ein Indiz für mangelndes Potenzial. Im Gegenteil, CBC entpuppt sich als ein vielseitiges, nicht-psychoaktives Cannabinoid mit einigen bemerkenswerten Eigenschaften, insbesondere im Bereich der Entzündungs- und Schmerzbekämpfung, aber auch mit vielversprechenden Hinweisen auf antidepressive und neuroprotektive Wirkungen.

CBC entsteht, wie THC und CBD, aus der gemeinsamen Vorstufe Cannabigerolsäure (CBGA). Das Enzym CBCA-Synthase wandelt CBGA in Cannabichromensäure (CBCA) um, aus der dann durch Decarboxylierung (Wärmeeinwirkung) CBC entsteht. Interessanterweise kann CBC in bestimmten Cannabis-Sorten, vor allem in tropischen Landrassen, in überraschend hohen Konzentrationen vorkommen, manchmal sogar häufiger als CBD.

Ein kurzer Blick auf Chemie und Entdeckung

CBC wurde erstmals in den 1960er Jahren von den Forschungsgruppen um Raphael Mechoulam und Yechiel Gaoni identifiziert. Chemisch gesehen ist es ein Isomer von THC und CBD, was bedeutet, dass es dieselbe Summenformel (C₂₁H₃₀O₂) besitzt, sich aber in der Anordnung seiner Atome und somit in seiner dreidimensionalen Struktur unterscheidet. Diese strukturellen Unterschiede sind verantwortlich für sein einzigartiges pharmakologisches Profil und seine fehlende Psychoaktivität.



Wie wirkt CBC im Körper? Ein starker Interakteur mit TRP-Kanälen und dem Endocannabinoid-Tonus

Die Wirkmechanismen von CBC sind vielfältig und unterscheiden sich in wichtigen Aspekten von denen anderer Cannabinoide:

  • Geringe Affinität zu CB1-Rezeptoren: CBC bindet nur sehr schwach an CB1-Rezeptoren. Dies ist der Hauptgrund, warum es keine berauschenden oder psychoaktiven Effekte hervorruft.

  • Interaktion mit CB2-Rezeptoren: Die Bindung an CB2-Rezeptoren ist ebenfalls nicht besonders stark, obwohl einige Studien auf eine gewisse Interaktion hindeuten. Es wird jedoch angenommen, dass die Hauptwirkungen von CBC nicht primär über eine direkte Aktivierung der CB2-Rezeptoren vermittelt werden.

  • Starke Interaktion mit TRP-Kanälen: Einer der wichtigsten Wirkmechanismen von CBC scheint seine Fähigkeit zu sein, mit bestimmten TRP-Kanälen (Transient Receptor Potential Channels) zu interagieren. Es wurde gezeigt, dass CBC als Agonist (Aktivator) an TRPV1-Rezeptoren (auch bekannt als Capsaicin-Rezeptor, beteiligt an Schmerz- und Wärmeempfindung) und TRPA1-Rezeptoren (beteiligt an Schmerz-, Kälte- und Juckreizempfindung sowie Entzündungsreaktionen) wirkt. Diese Interaktionen sind wahrscheinlich zentral für seine ausgeprägten schmerzlindernden und entzündungshemmenden Eigenschaften.

  • Beeinflussung der Endocannabinoid-Spiegel: CBC scheint den sogenannten "Endocannabinoid-Tonus" zu erhöhen, indem es die Wiederaufnahme des wichtigen Endocannabinoids Anandamid (AEA) hemmt. Anandamid, oft als "Glückseligkeitsmolekül" bezeichnet, spielt eine Rolle bei Schmerz, Stimmung und Entzündung. Durch die Hemmung seines Abbaus bzw. seiner Wiederaufnahme in die Zellen erhöht CBC die Konzentration von Anandamid im synaptischen Spalt, was zu einer verstärkten Aktivierung der Cannabinoid-Rezeptoren durch körpereigene Substanzen führt. Dieser Mechanismus ähnelt dem von CBD.

  • Potenzial im Entourage-Effekt: CBC wird eine wichtige Rolle im Entourage-Effekt zugeschrieben, bei dem es synergistisch mit anderen Cannabinoiden (wie THC und CBD) und Terpenen zusammenwirkt, um deren therapeutische Wirkungen zu verstärken oder zu modulieren.

Erforschte und vielversprechende therapeutische Eigenschaften von CBC

Präklinische Studien haben eine Reihe vielversprechender therapeutischer Potenziale für CBC aufgedeckt:

Entzündungshemmende Wirkung

CBC hat in verschiedenen Tiermodellen signifikante entzündungshemmende Eigenschaften gezeigt. Interessanterweise scheinen diese Effekte oft unabhängig von den CB1- und CB2-Rezeptoren zu sein und stattdessen über die Aktivierung von TRP-Kanälen (insbesondere TRPA1) vermittelt zu werden (DeLong et al., 2010; Izzo et al., 2012). Dies macht CBC zu einem interessanten Kandidaten für die Behandlung verschiedener entzündlicher Erkrankungen, einschliesslich Darmentzündungen, bei denen es die übermässige Flüssigkeitssekretion und Motilität reduzieren konnte.

Schmerzlinderung (Analgesie)

Aufgrund seiner Interaktion mit TRPV1- und TRPA1-Rezeptoren sowie seiner Fähigkeit, den Anandamid-Spiegel zu erhöhen, besitzt CBC ausgeprägte schmerzlindernde Eigenschaften. Es hat sich in Tiermodellen als wirksam bei der Linderung von entzündlichen und neuropathischen Schmerzen erwiesen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass CBC synergistisch mit THC wirken kann, um dessen analgetische Wirkung zu verstärken, möglicherweise bei gleichzeitiger Reduktion unerwünschter Nebenwirkungen von THC.

Antidepressive Eigenschaften

Einige der überraschendsten und vielversprechendsten Forschungsergebnisse zu CBC betreffen sein Potenzial als Antidepressivum. Eine Studie an Mäusen von El-Alfy et al. (2010) ergab, dass CBC antidepressive Wirkungen zeigte, die in den verwendeten Testmodellen sogar stärker waren als die von CBD. Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt, könnte aber mit der Erhöhung des Endocannabinoid-Tonus und der Interaktion mit anderen Neurotransmittersystemen zusammenhängen.

Neuroprotektive Eigenschaften und Förderung der Neurogenese

CBC könnte eine wichtige Rolle für die Gesundheit und Funktion des Gehirns spielen. Eine bemerkenswerte Studie von Shinjyo & Di Marzo (2013) zeigte, dass CBC die Lebensfähigkeit und Differenzierung von neuralen Stamm-/Progenitorzellen (NSPCs) in vitro förderte. NSPCs sind entscheidend für die Neurogenese (die Bildung neuer Nervenzellen) und die Reparatur von Hirngewebe. Diese Fähigkeit, die Neurogenese zu unterstützen, macht CBC zu einem interessanten Forschungsobjekt im Kontext von neurodegenerativen Erkrankungen, Hirnverletzungen und altersbedingtem kognitivem Abbau.



Potenzial bei Akne

CBC zeigt vielversprechende Eigenschaften für die Behandlung von Akne. Eine Studie von Oláh et al. (2016) ergab, dass CBC die übermässige Talgproduktion der Talgdrüsen (einer der Hauptursachen für Akne) reduzieren kann. Darüber hinaus besitzt es entzündungshemmende und antibakterielle Eigenschaften, die ebenfalls zur Linderung von Aknesymptomen beitragen könnten.

Antitumorale Eigenschaften

Obwohl die Forschung hierzu noch sehr präklinisch ist, gibt es erste Hinweise aus In-vitro-Studien (Zellkulturstudien), dass CBC das Wachstum bestimmter Krebszellen hemmen könnte. Beispielsweise zeigte eine Studie von Ligresti et al. (2006), dass CBC und andere Cannabinoide das Wachstum von Brustkrebszellen reduzieren konnten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar sind und CBC keinesfalls als Ersatz für etablierte Krebstherapien betrachtet werden darf.

Aktueller Stand der Forschung und Herausforderungen

Obwohl die bisherigen Forschungsergebnisse zu CBC sehr vielversprechend sind, ist die Anzahl der Studien im Vergleich zu THC und CBD noch begrenzt. Die meisten Untersuchungen wurden im Labor (in vitro) oder an Tiermodellen (in vivo) durchgeführt. Um das volle therapeutische Potenzial von CBC beim Menschen zu verstehen und zu bestätigen, sind dringend weitere klinische Studien erforderlich.

Ein besseres Verständnis der synergistischen Effekte von CBC mit anderen Cannabinoiden und Terpenen im Rahmen des Entourage-Effekts ist ebenfalls ein wichtiges Forschungsziel.

CBC in Cannabis: Vorkommen und Produkte

CBC kann, wie bereits erwähnt, in einigen Cannabis-Sorten, insbesondere in tropischen Landrassen, in nennenswerten Mengen vorkommen. In vielen kommerziellen Sorten ist sein Gehalt jedoch oft niedriger als der von THC oder CBD. Zunehmend gibt es jedoch Züchtungsbemühungen, die darauf abzielen, Sorten mit einem höheren CBC-Gehalt zu entwickeln, um die Forschung zu unterstützen und die Herstellung spezifischer CBC-Produkte zu ermöglichen. Die Verfügbarkeit von reinen CBC-Ölen, -Extrakten oder anderen Formulierungen ist noch nicht so verbreitet wie bei CBD, aber der Markt dafür wächst langsam.

Zusammenfassung und Ausblick

Cannabichromen (CBC) ist ein oft unterschätztes, aber hochinteressantes nicht-psychoaktives Cannabinoid mit einem breiten Spektrum an potenziellen therapeutischen Wirkungen. Seine starken entzündungshemmenden und schmerzlindernden Eigenschaften, die oft über TRP-Kanäle vermittelt werden, sowie sein Potenzial als Antidepressivum und Förderer der Neurogenese machen es zu einem einzigartigen Akteur im Cannabinoid-Ensemble.

Als wichtiger "Teamplayer" im Entourage-Effekt kann CBC die positiven Wirkungen anderer Cannabinoide ergänzen und möglicherweise deren unerwünschte Nebenwirkungen reduzieren. Während die Forschung weiter voranschreitet, besteht die Hoffnung, dass CBC bald die Anerkennung erhält, die es verdient, und einen festen Platz in der Entwicklung neuer, auf Cannabinoiden basierender Therapien einnehmen wird. Es ist ein weiteres Beispiel für die erstaunliche chemische Vielfalt und das medizinische Potenzial, das die Cannabis-Pflanze zu bieten hat.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 7):

  • DeLong, G. T., Wolf, C. E., Poklis, A., & Lichtman, A. H. (2010). Pharmacological evaluation of the natural constituent of Cannabis sativa, cannabichromene and its modulation by Δ9-tetrahydrocannabinol. Drug and alcohol dependence, 112(1-2), 126-133. Link: https://doi.org/10.1016/j.drugalcdep.2010.05.019

  • Izzo, A. A., Capasso, R., Aviello, G., Borrelli, F., Romano, B., Piscitelli, F., ... & Di Marzo, V. (2012). Inhibitory effect of cannabichromene, a major non-psychotropic cannabinoid extracted from Cannabis sativa, on inflammation-induced hypermotility in mice. British journal of pharmacology, 166(4), 1444-1460. Link: https://bpspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1476-5381.2012.01879.x

  • El-Alfy, A. T., Ivey, K., Robinson, K., Ahmed, S., Radwan, M., Slade, D., ... & Ross, S. (2010). Antidepressant-like effect of Δ9-tetrahydrocannabinol and other cannabinoids isolated from Cannabis sativa L. Pharmacology Biochemistry and Behavior, 95(4), 434-442. Link: https://doi.org/10.1016/j.pbb.2010.03.004

  • Shinjyo, N., & Di Marzo, V. (2013). The effect of cannabichromene on adult neural stem/progenitor cells. Neurochemistry international, 63(5), 432-437. Link: https://doi.org/10.1016/j.neuint.2013.08.002

  • Oláh, A., Markovics, A., Szabó-Papp, J., Szabó, P. T., Stott, C., Zouboulis, C. C., & Bíró, T. (2016). Differential effectiveness of selected non-psychotropic phytocannabinoids on human sebocyte functions implicates their introduction in dry/seborrhoeic skin and acne treatment. Experimental dermatology, 25(9), 701-707. Link: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/exd.13042

  • Ligresti, A., Moriello, A. S., Starowicz, K., Matias, I., Pisanti, S., De Petrocellis, L., ... & Di Marzo, V. (2006). Antitumor activity of plant cannabinoids with emphasis on the effect of cannabidiol on human breast carcinoma. Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics, 318(3), 1375-1387. Link: https://jpet.aspetjournals.org/content/318/3/1375.long


Kapitel 8: Ein Blick auf weitere seltene Hoffnungsträger (CBL, CBE, CBT etc.)

Nachdem wir uns in den vorherigen Kapiteln intensiv mit den sechs bekanntesten "Minor Cannabinoids" – CBG, CBN, THCV, CBDV und CBC – beschäftigt haben, möchten wir in diesem Kapitel den Vorhang noch ein wenig weiter lüften. Die Cannabis-Pflanze ist eine wahre Alchemistin der Natur und produziert Schätzungen zufolge zwischen 100 und 150 verschiedene Cannabinoide. Viele davon sind bisher nur in Spuren identifiziert worden und ihre biologische Aktivität sowie ihr therapeutisches Potenzial sind weitgehend unbekannt. Sie sind die wahren "Exoten" im Cannabinoid-Spektrum.

Dieses Kapitel soll einen kurzen Einblick in einige dieser noch selteneren und weniger erforschten Verbindungen geben. Es ist wichtig zu betonen, dass die Forschung hier oft noch in den Kinderschuhen steckt und viele der Informationen spekulativ oder auf sehr begrenzten präklinischen Daten beruhen. Dennoch ist ein Blick auf diese Moleküle faszinierend, da sie uns die immense Komplexität der Cannabis-Pflanze vor Augen führen und andeuten, welche unentdeckten Schätze möglicherweise noch in ihr schlummern.

Ausgewählte seltene Cannabinoide – Ein flüchtiger Blick

Im Folgenden stellen wir einige dieser sehr seltenen Cannabinoide exemplarisch vor:

Cannabicyclol (CBL) und Cannabicyclolsäure (CBLA)

  • Entstehung/Struktur: CBLA entsteht nicht direkt durch enzymatische Prozesse aus CBGA, sondern ist ein photochemisches Abbauprodukt von Cannabichromensäure (CBCA). Das bedeutet, es bildet sich, wenn CBCA über längere Zeit Licht (insbesondere UV-Licht) ausgesetzt wird. Durch Decarboxylierung entsteht dann CBL.

  • Eigenschaften/Forschungsinteresse: CBL ist nicht-psychoaktiv. Bisher gibt es kaum Hinweise auf eine signifikante biologische Aktivität. Es wird eher als ein Indikator für die Lichtexposition und das Alter von Cannabis-Proben angesehen als für ein therapeutisch relevantes Molekül. Die Forschung zu CBL ist äusserst begrenzt.

Cannabielsoin (CBE) und Cannabielsoinsäure (CBEA)

  • Entstehung/Struktur: CBEA ist ein Metabolit von Cannabidiolsäure (CBDA), der durch oxidative Umwandlung entsteht, möglicherweise durch mikrobielle Aktivität oder enzymatische Prozesse in der Pflanze nach der Ernte. CBE entsteht dann durch Decarboxylierung. Es gibt verschiedene Stereoisomere von CBE.

  • Eigenschaften/Forschungsinteresse: CBE ist nicht-psychoaktiv. Die Forschung zu CBE ist extrem limitiert. Es gibt einige theoretische Überlegungen, dass es im Rahmen des Entourage-Effekts eine Rolle spielen könnte, aber es mangelt an soliden wissenschaftlichen Belegen für spezifische therapeutische Wirkungen.

Cannabitriol (CBT) und Cannabitriolsäure (CBTA)

  • Entstehung/Struktur: CBT ist strukturell mit THC verwandt, besitzt aber zusätzliche Hydroxylgruppen (-OH). Es existieren verschiedene Isomere von CBT, die sich in der Position dieser Hydroxylgruppen unterscheiden. Die genauen Biosynthesewege sind noch nicht vollständig geklärt.

  • Eigenschaften/Forschungsinteresse: Über die Psychoaktivität von CBT ist wenig bekannt, es wird aber generell angenommen, dass es nicht oder nur sehr schwach psychoaktiv ist. Die Forschung ist sehr spärlich. Eine ältere Studie aus den 1970er Jahren deutete an, dass ein bestimmtes CBT-Isomer den Augeninnendruck bei Kaninchen senken könnte, was auf ein potenzielles Interesse bei Glaukom hindeutete (ElSohly et al., 1980). Diese Spur wurde jedoch kaum weiterverfolgt. Neuere Studien sind rar.

Cannabivarin-Derivate (z.B. CBGV, CBCV, CBNV)

  • Neben den bereits besprochenen THCV und CBDV gibt es auch "Varin"-Homologe (mit einer Propyl-Seitenkette) von CBG, CBC und CBN:

    • Cannabigerovarin (CBGV) und Cannabigerovarinsäure (CBGVA)

    • Cannabichromevarin (CBCV) und Cannabichromevarinsäure (CBCVA)

    • Cannabinolvarin (CBNV) und Cannabinolvarinsäure (CBNVA)

  • Diese entstehen aus der CBGVA-Linie. Über ihre spezifischen Eigenschaften ist noch weniger bekannt als über ihre jeweiligen Pentyl-Homologe (CBG, CBC, CBN). Man kann jedoch vermuten, dass sie ähnliche, aber möglicherweise modifizierte Wirkprofile aufweisen könnten.



Weitere kaum verstandene Cannabinoide

Die Liste der identifizierten, aber kaum erforschten Cannabinoide ist lang. Dazu gehören beispielsweise:

  • Cannabinodiol (CBND): Ein Abbauprodukt von CBD.

  • Cannabiripsol (CBR): Strukturell mit CBT verwandt.

  • Dehydrocannabifuran (DCBF) und Cannabifuran (CBF): Cyclische Ether, die möglicherweise Artefakte oder Abbauprodukte sind.

Diese Namen repräsentieren nur die Spitze des Eisbergs. Viele dieser Verbindungen wurden nur einmal oder wenige Male in spezifischen Cannabis-Proben oder unter Laborbedingungen nachgewiesen.

Herausforderungen bei der Erforschung seltener Cannabinoide

Die Erforschung dieser "Exoten" ist mit erheblichen Herausforderungen verbunden:

  1. Extrem geringe natürliche Konzentrationen: Viele dieser Cannabinoide kommen in der Pflanze nur in Nano- oder Pikogramm-Mengen vor. Ihre Isolierung in ausreichender Menge für biologische Tests ist extrem aufwendig und teuer.

  2. Mangel an Referenzstandards: Für viele seltene Cannabinoide gibt es keine kommerziell erhältlichen, reinen Referenzsubstanzen. Dies erschwert ihre genaue Identifizierung, Quantifizierung und die Durchführung standardisierter Forschung.

  3. Komplexe Biosynthese und Abbauwege: Die genauen Wege, wie diese Verbindungen in der Pflanze entstehen oder abgebaut werden, sind oft unbekannt oder nur unvollständig verstanden.

  4. Schwierige Synthese: Die chemische Synthese dieser oft komplexen Moleküle im Labor kann ebenfalls sehr anspruchsvoll sein.

  5. Fokus der Forschungsförderung: Forschungsgelder fliessen verständlicherweise oft in die Untersuchung der Cannabinoide, die in höheren Konzentrationen vorkommen und bereits erste Hinweise auf therapeutisches Potenzial gezeigt haben.

Warum sind sie dennoch von wissenschaftlichem Interesse?

Trotz dieser Herausforderungen ist die Beschäftigung mit den seltenen Cannabinoiden aus mehreren Gründen wichtig:

  • Potenzial für neue Entdeckungen: Jedes einzelne dieser Moleküle könnte einzigartige pharmakologische Eigenschaften besitzen, die für die Medizin von Nutzen sein könnten – vielleicht mit höherer Spezifität oder geringeren Nebenwirkungen als die bekannteren Cannabinoide.

  • Verständnis des Entourage-Effekts: Auch wenn sie nur in Spuren vorkommen, könnten diese Verbindungen subtil zur Gesamtwirkung von Cannabis beitragen und den Entourage-Effekt modulieren. Ihre Abwesenheit oder Anwesenheit könnte erklären, warum verschiedene Cannabis-Sorten trotz ähnlicher Haupt-Cannabinoid-Profile unterschiedliche Wirkungen haben.

  • Chemotaxonomie und Sortencharakterisierung: Das Profil seltener Cannabinoide könnte zukünftig als eine Art "Fingerabdruck" dienen, um Cannabis-Sorten genauer zu klassifizieren, ihre genetische Herkunft zu bestimmen oder Anbaubedingungen zu überwachen.

  • Inspiration für synthetische Analoga: Selbst wenn ein natürlich vorkommendes seltenes Cannabinoid nicht direkt als Medikament nutzbar ist (z.B. wegen geringer Bioverfügbarkeit oder schwieriger Produktion), könnte seine chemische Struktur als Vorlage für die Entwicklung neuer, optimierter synthetischer Medikamente dienen.

  • Grundlagenforschung: Die Untersuchung dieser Moleküle erweitert unser grundlegendes Verständnis der Biochemie der Cannabis-Pflanze und der Interaktion von Cannabinoiden mit biologischen Systemen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Welt der seltenen Cannabinoide ist ein weitgehend unkartiertes Gebiet, das sowohl enorme Herausforderungen als auch spannende Möglichkeiten birgt. Es ist ein Forschungsfeld, das Geduld, innovative Methoden und eine gehörige Portion wissenschaftliche Neugier erfordert.

Technologische Fortschritte in der Analytik (z.B. hochauflösende Massenspektrometrie), der synthetischen Chemie und möglicherweise auch in der Züchtung (z.B. durch genetische Modifikation oder gezielte Stressinduktion bei Pflanzen, um die Produktion bestimmter seltener Verbindungen zu fördern) könnten in Zukunft neue Türen öffnen.

Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass jedes dieser über hundert Moleküle ein Blockbuster-Medikament wird, so ist doch die systematische Erforschung ihrer Eigenschaften ein wichtiger Schritt, um das volle Potenzial der Cannabis-Pflanze zu verstehen und zu nutzen. Wer weiss, vielleicht verbirgt sich unter diesen "Exoten" der nächste grosse Durchbruch in der Cannabinoid-Medizin. Die Reise hat gerade erst begonnen.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 8):

  • ElSohly, M. A., Turner, C. E., Clark, A. M., & Eisohly, H. N. (1980). Synthesis and Ocular Activity of Certain Cannabitriol Esters. Journal of Pharmaceutical Sciences, 69(12), 1379-1382. Link: https://doi.org/10.1002/jps.2600691209 (Eine der wenigen Studien zu CBT)

  • Hanuš, L. O., Meyer, S. M., Muñoz, E., Taglialatela-Scafati, O., & Appendino, G. (2016). Phytocannabinoids: a unified critical inventory. Natural product reports, 33(12), 1357-1392. Link: https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2016/np/c6np00074f (Umfassende Liste und Klassifizierung vieler Cannabinoide)

  • Radwan, M. M., Chandra, S., Gul, S., & ElSohly, M. A. (2021). Cannabinoids, Phenolics, Terpenes and Alkaloids of Cannabis. Molecules, 26(9), 2774. Link: https://www.mdpi.com/1420-3049/26/9/2774 (Gibt einen Überblick über die chemische Vielfalt)

  • Pollastro, F., Taglialatela-Scafati, O., & Appendino, G. (2018). The current "state of the art" of phytocannabinoids. In Phytocannabinoids (pp. 29-56). Springer, Cham. (Buchkapitel, das die Vielfalt diskutiert)


Kapitel 9: Die Genetik im Fokus – Züchtung von Cannabis-Sorten für spezifische Minor Cannabinoids

Nachdem wir die faszinierende Vielfalt und das therapeutische Potenzial der verschiedenen Minor Cannabinoids kennengelernt haben, stellt sich eine entscheidende Frage: Wie gelangen wir zu Cannabis-Pflanzen, die diese oft nur in Spuren vorkommenden Verbindungen in nennenswerten Mengen produzieren? Die Antwort liegt in der Kunst und Wissenschaft der Pflanzenzüchtung, kombiniert mit einem tiefen Verständnis der Cannabis-Genetik.

Die Entwicklung von Sorten, die reich an spezifischen Minor Cannabinoids wie CBG, THCV, CBDV oder CBC sind, ist ein komplexer, aber äusserst lohnender Prozess. Er erfordert Geduld, Präzision und ein gutes Auge für die subtilen Hinweise, die die Pflanzen geben. Für Unternehmen wie High Level Genetics ist dies ein Kernbereich der Innovation, um das volle Spektrum der Cannabis-Pflanze für medizinische und andere Anwendungen zugänglich zu machen.

Grundlagen der Cannabis-Genetik: Was bestimmt das Cannabinoid-Profil?

Das Cannabinoid-Profil einer Cannabis-Pflanze – also welche Cannabinoide und in welchen Mengen sie produziert werden – ist primär durch ihre genetische Ausstattung bestimmt. Jede Pflanze erbt von ihren Elternteilen Gene, die für die Produktion der Enzyme (Synthasen) verantwortlich sind, welche die Umwandlung von Vorläufermolekülen (wie CBGA oder CBGVA) in die verschiedenen sauren Cannabinoide (THCA, CBDA, CBCA, THCVA, CBDVA etc.) katalysieren.

  • Enzym-Gene: Die Aktivität und Effizienz dieser Synthase-Enzyme ist entscheidend. Beispielsweise wird eine Pflanze, die viel aktive THCA-Synthase produziert, tendenziell THC-dominant sein. Wenn jedoch das Gen für die THCA-Synthase weniger aktiv ist oder fehlt, und stattdessen die CBDA-Synthase sehr aktiv ist, wird die Pflanze CBD-dominant.

  • Genetische Variation: Innerhalb der Cannabis-Population gibt es eine enorme genetische Vielfalt. Einige Pflanzen haben natürliche Mutationen oder Variationen in diesen Genen, die dazu führen, dass sie ungewöhnliche Cannabinoid-Profile aufweisen, einschliesslich höherer Mengen bestimmter Minor Cannabinoids. Beispielsweise könnten Pflanzen, bei denen die Enzyme, die CBGA in THCA oder CBDA umwandeln, weniger effizient sind, von Natur aus mehr CBGA (und somit nach Decarboxylierung mehr CBG) ansammeln.

  • Polygenie: Die Produktion von Cannabinoiden ist oft ein polygener Prozess, d.h., mehrere Gene sind beteiligt und interagieren miteinander, um das endgültige Profil zu bestimmen. Dies macht die Züchtung komplexer.

  • Epigenetik: Auch epigenetische Faktoren (Modifikationen an der DNA, die nicht die DNA-Sequenz selbst verändern, aber die Genaktivität beeinflussen) können eine Rolle spielen und durch Umweltbedingungen beeinflusst werden.



Züchtungsziele definieren: Welche Cannabinoide für welchen Zweck?

Bevor ein Züchtungsprogramm beginnt, müssen klare Ziele definiert werden:

  • Welches spezifische Minor Cannabinoid soll angereichert werden (z.B. CBG, THCV)?

  • Welche Konzentrationen werden angestrebt?

  • Sollen Kombinationen bestimmter Cannabinoide erzielt werden (z.B. ein ausgewogenes Verhältnis von THCV und CBD)?

  • Welche anderen Eigenschaften sind wichtig (z.B. Ertrag, Blütezeit, Terpenprofil, Schädlingsresistenz, Anbaueigenschaften)?

Diese Ziele hängen stark von der beabsichtigten Anwendung ab – sei es für spezifische medizinische Indikationen, für Wellness-Produkte oder für die Forschung.

Auswahl der Elterngenetik: Die Suche nach den verborgenen Schätzen

Der Erfolg eines Züchtungsprogramms steht und fällt mit der Auswahl der richtigen Elternpflanzen. Hier beginnt die Detektivarbeit des Züchters:

  • Analyse bestehender Sorten: Viele etablierte Sorten und insbesondere Landrassen werden auf ihren Cannabinoid- und Terpengehalt hin analysiert. Manchmal finden sich in alten, weniger kommerzialisierten Linien unerwartet hohe Konzentrationen bestimmter Minor Cannabinoids.

  • Phänotyp-Jagd (Pheno Hunting): Selbst innerhalb einer Samencharge derselben Sorte kann es erhebliche Variationen im Cannabinoidprofil geben. Beim Pheno Hunting werden viele einzelne Pflanzen aus Samen aufgezogen und sorgfältig auf die gewünschten Merkmale (einschliesslich des Cannabinoidgehalts) hin untersucht und selektiert.

  • Nutzung genetischer Datenbanken: Zunehmend werden genetische Marker und Datenbanken genutzt, um Pflanzen mit vielversprechenden Genen für die Produktion bestimmter Cannabinoide zu identifizieren.

  • Internationale Zusammenarbeit und Erhaltung von Genmaterial: Der Zugang zu einer breiten genetischen Vielfalt ist entscheidend. Die Erhaltung von Landrassen und seltenen Genetiken in Genbanken spielt hier eine wichtige Rolle.

Klassische Züchtungsmethoden: Die Kunst der Kombination

Sobald vielversprechende Elternpflanzen identifiziert sind, kommen klassische Züchtungsmethoden zum Einsatz:

  1. Kreuzung (Hybridisierung): Zwei ausgewählte Elternpflanzen werden miteinander gekreuzt, um ihre genetischen Eigenschaften in der Nachkommenschaft (F1-Generation) zu kombinieren. Ziel ist es, die gewünschten Gene beider Elternteile zu vereinen.

  2. Selektion: Aus der Nachkommenschaft werden diejenigen Individuen ausgewählt, die dem Zuchtziel am nächsten kommen. Dies erfordert eine sorgfältige Analyse jeder einzelnen Pflanze (Phänotypisierung), einschliesslich labortechnischer Analysen des Cannabinoidprofils (Chemotypisierung). Nur die besten Pflanzen werden für die nächste Züchtungsgeneration verwendet.

  3. Rückkreuzung (Backcrossing): Um bestimmte erwünschte Eigenschaften eines Elternteils (z.B. hoher CBG-Gehalt) in der Nachkommenschaft zu stabilisieren und gleichzeitig andere unerwünschte Eigenschaften zu eliminieren, kann die F1-Generation oder spätere Generationen wiederholt mit dem ursprünglichen "Wunsch-Elternteil" gekreuzt werden.

  4. Inzucht und Stabilisierung: Um eine neue Sorte mit einem konsistenten und vorhersagbaren Cannabinoidprofil zu schaffen, werden oft mehrere Generationen von Inzucht (Kreuzung verwandter Pflanzen, z.B. Geschwister) und Selektion durchgeführt. Ziel ist es, die Gene für die gewünschten Eigenschaften homozygot zu machen, sodass die Sorte "echt züchtend" (true breeding) wird und ihre Merkmale zuverlässig an die nächste Generation weitergibt.

Dieser Prozess kann viele Jahre dauern und erfordert mehrere Pflanzengenerationen.

Herausforderungen bei der Züchtung von Minor Cannabinoids

Die Züchtung auf hohe Konzentrationen von Minor Cannabinoids ist mit spezifischen Herausforderungen verbunden:

  • Niedrige Ausgangswerte: Oft sind die gewünschten Minor Cannabinoids in den Ausgangspopulationen nur in extrem geringen Mengen vorhanden. Es braucht viele Selektionszyklen, um diese Werte signifikant zu erhöhen.

  • Genetische Kopplung: Manchmal sind Gene für erwünschte Eigenschaften (z.B. hoher CBG-Gehalt) genetisch mit Genen für unerwünschte Eigenschaften (z.B. geringer Ertrag) gekoppelt. Diese Kopplungen aufzubrechen, kann schwierig sein.

  • Inverse Korrelationen: Es kann vorkommen, dass die Erhöhung eines Cannabinoids zur Verringerung eines anderen führt (z.B. wenn sie um dasselbe Vorläufermolekül konkurrieren).

  • Kosten und Zeitaufwand: Die umfangreichen Analysen (Chemotypisierung) jeder Pflanze über mehrere Generationen hinweg sind kostspielig und zeitintensiv.

Moderne Ansätze in der Cannabiszüchtung

Neben den klassischen Methoden kommen zunehmend moderne biotechnologische Werkzeuge zum Einsatz:

  • Marker-assistierte Selektion (MAS): Hierbei werden DNA-Marker (spezifische DNA-Sequenzen, die in der Nähe der gewünschten Gene liegen) verwendet, um bereits im Keimlingsstadium Pflanzen zu identifizieren, die wahrscheinlich die gewünschten genetischen Anlagen für ein bestimmtes Cannabinoidprofil tragen. Dies kann den Selektionsprozess erheblich beschleunigen und effizienter gestalten, da nicht jede Pflanze bis zur Blüte und chemischen Analyse aufgezogen werden muss.

  • Genomische Selektion: Dieser Ansatz nutzt Informationen aus dem gesamten Genom einer Pflanze, um ihren Zuchtwert vorherzusagen.

  • Tissue Culture (Gewebekultur) und Micropropagation: Diese Techniken ermöglichen die schnelle Vermehrung von Elite-Pflanzenmaterial unter sterilen Bedingungen und die Erhaltung wertvoller Genetiken.

  • Gen-Editierung (z.B. CRISPR/Cas9): Obwohl in der Cannabis-Züchtung noch nicht weit verbreitet und regulatorisch oft heikel, bietet Gen-Editierung theoretisch die Möglichkeit, gezielt Gene zu verändern, um beispielsweise die Produktion bestimmter Enzyme zu erhöhen oder zu verringern.

Die Bedeutung von Terpenprofilen und dem Entourage-Effekt

Bei der Züchtung auf spezifische Minor Cannabinoids darf das Terpenprofil nicht ausser Acht gelassen werden. Terpene sind die aromatischen Verbindungen in Cannabis, die nicht nur für den Geruch und Geschmack verantwortlich sind, sondern auch eigene therapeutische Eigenschaften besitzen und massgeblich zum Entourage-Effekt beitragen. Ein Züchter wird daher oft versuchen, ein gewünschtes Cannabinoidprofil mit einem komplementären Terpenprofil zu kombinieren, um die bestmögliche synergistische Wirkung zu erzielen.

High Level Genetics: Pioniere der spezialisierten Züchtung

Die Entwicklung von Cannabis-Sorten, die reich an spezifischen Minor Cannabinoids sind, ist ein zentrales Anliegen von High Level Genetics. Durch die Kombination von traditionellem Züchterwissen, sorgfältiger Selektion und dem Einsatz moderner analytischer Methoden arbeiten wir kontinuierlich daran, die genetische Vielfalt der Cannabis-Pflanze zu nutzen und neue Sorten mit einzigartigen und wertvollen chemischen Profilen zu schaffen. Unser Ziel ist es, Pflanzen zu züchten, die nicht nur hohe Konzentrationen der gewünschten Minor Cannabinoids aufweisen, sondern auch robust, ertragreich und an die Bedürfnisse von Growern und Endverbrauchern angepasst sind.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Züchtung von Cannabis-Sorten mit spezifischen Minor Cannabinoid-Profilen ist ein dynamisches und sich schnell entwickelndes Feld. Sie ist der Schlüssel, um das volle therapeutische und kommerzielle Potenzial dieser faszinierenden Verbindungen auszuschöpfen. Während klassische Züchtungsmethoden weiterhin die Grundlage bilden, werden moderne biotechnologische Werkzeuge den Prozess in Zukunft voraussichtlich weiter beschleunigen und präzisieren.

Die Fähigkeit, Cannabis-Pflanzen zu züchten, die konsistent hohe Mengen an CBG, THCV, CBDV, CBC oder anderen seltenen Cannabinoiden produzieren, wird die Tür zu neuen medizinischen Anwendungen, personalisierten Therapien und innovativen Produkten öffnen. Es ist ein spannender Weg, der zeigt, wie menschliche Ingeniosität und das Verständnis der Natur Hand in Hand gehen können, um das Wohlbefinden zu fördern.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 9):

  • Clarke, R. C., & Merlin, M. D. (2013). Cannabis: Evolution and Ethnobotany. University of California Press. (Umfassendes Werk zur Geschichte und Biologie von Cannabis, relevant für genetische Vielfalt)

  • Small, E. (2015). Evolution and Classification of Cannabis sativa (Marijuana, Hemp) in Relation to Human Utilization. The Botanical Review, 81(3), 189-294. Link: https://link.springer.com/article/10.1007/s12229-015-9157-y

  • Laverty, K. U., Stout, J. M., Sullivan, M. J., Shah, H., Gill, N., Holbrook, L., ... & De Meijer, E. P. M. (2019). A physical and genetic map of Cannabis sativa identifies extensive rearrangements at the THC/CBD acid synthase loci. Genome research, 29(1), 146-156. Link: https://genome.cshlp.org/content/29/1/146.full (Beispiel für genetische Forschung)

  • Salentijn, E. M. J., Zhang, Q., Amaducci, S., Yang, M., & Trindade, L. M. (2015). New developments in hemp (Cannabis sativa L.) breeding. Plant Breeding, 134(2), 140-147. Link: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/pbr.12252 (Obwohl Fokus auf Hanf, relevant für Züchtungsprinzipien)

  • Welling, M. T., Liu, L., Shapter, T., Raymond, C. A., & King, G. J. (2016). Characterisation of cannabinoid composition in a diverse Cannabis sativa L. germplasm collection. Euphytica, 208(3), 463-475. Link: https://link.springer.com/article/10.1007/s10681-015-1587-y (Zeigt die Vielfalt in Genbanken)


Kapitel 10: Vom Samen zur Ernte – Anbautechniken zur Maximierung gewünschter Cannabinoidprofile

In Kapitel 9 haben wir die entscheidende Rolle der Genetik für das Cannabinoidprofil einer Cannabis-Pflanze beleuchtet. Die genetische Veranlagung ist das Fundament – sie bestimmt das Potenzial einer Pflanze, bestimmte Cannabinoide in bestimmten Mengen zu produzieren. Doch um dieses Potenzial voll auszuschöpfen und die gewünschten Konzentrationen, insbesondere von Minor Cannabinoids, zu maximieren, bedarf es sorgfältiger und präziser Anbautechniken. Von der Keimung des Samens bis zur sorgfältigen Nacherntebehandlung kann jede Phase und jeder Umweltfaktor die endgültige chemische Zusammensetzung der Pflanze beeinflussen.

Dieses Kapitel widmet sich den verschiedenen Aspekten des Anbaus, die dazu beitragen können, das genetisch festgelegte Cannabinoid- und Terpenprofil zu optimieren und die Produktion wertvoller Inhaltsstoffe zu fördern.

Der Lebenszyklus der Cannabis-Pflanze und kritische Phasen

Die Cannabis-Pflanze durchläuft mehrere Entwicklungsstadien, wobei die signifikante Produktion von Cannabinoiden und Terpenen hauptsächlich in der Blütephase stattfindet, genauer gesagt in den Harzdrüsen, den sogenannten Trichomen, die sich auf den Blüten und den umliegenden kleinen Blättern bilden.

  1. Keimung: Der Beginn des Lebens, bei dem der Samen unter feuchten Bedingungen aufbricht und die erste Wurzel (Pfahlwurzel) bildet.

  2. Sämlingsphase: Die junge Pflanze entwickelt ihre ersten echten Blätter. Sie ist noch sehr empfindlich.

  3. Vegetatives Wachstum: Die Pflanze konzentriert sich auf das Wachstum von Stamm, Ästen und Blättern. In dieser Phase wird die Grundlage für eine ertragreiche Blüte gelegt. Die Cannabinoidproduktion ist noch minimal.

  4. Blütephase: Ausgelöst durch eine Veränderung der Photoperiode (bei photoperiodischen Sorten) oder nach einer bestimmten Zeit (bei autoflowering Sorten), beginnt die Pflanze Blüten zu bilden. Jetzt startet die intensive Produktion von Cannabinoiden und Terpenen in den Trichomen. Diese Phase dauert je nach Sorte mehrere Wochen bis Monate.

  5. Reifung und Ernte: Die Blüten reifen aus, die Trichome verändern ihre Farbe, und das Cannabinoidprofil erreicht seinen Höhepunkt.



Umweltfaktoren und ihr Einfluss auf Cannabinoide und Terpene

Die Umgebung, in der eine Cannabis-Pflanze wächst, hat einen tiefgreifenden Einfluss auf ihre Entwicklung und die Produktion ihrer sekundären Pflanzenstoffe.

Licht

  • Intensität (PPFD - Photosynthetic Photon Flux Density): Eine höhere Lichtintensität (bis zu einem optimalen Punkt, der je nach Sorte variieren kann) fördert die Photosynthese und kann zu einer erhöhten Biomasse und somit zu mehr Blüten und einer höheren Gesamtproduktion von Cannabinoiden führen.

  • Spektrum:

    • UV-B-Strahlung: Es gibt Hinweise darauf, dass moderate UV-B-Strahlung die Produktion von THC und möglicherweise auch anderen Cannabinoiden als Schutzmechanismus der Pflanze gegen schädliche Strahlung anregen kann. Dies erfordert jedoch eine vorsichtige Anwendung, da zu viel UV-B schädlich sein kann.

    • Blaues Licht: Ist wichtig während der vegetativen Phase für kompaktes Wachstum.

    • Rotes und fernrotes Licht: Spielen eine wichtige Rolle bei der Blütenbildung und -entwicklung.

  • Photoperiode: Bei photoperiodischen Sorten ist die Umstellung von einer langen Lichtphase (z.B. 18 Stunden Licht / 6 Stunden Dunkelheit) auf eine kurze Lichtphase (z.B. 12/12) der Auslöser für die Blüte.

Temperatur

  • Optimale Bereiche: Cannabis bevorzugt im Allgemeinen Temperaturen zwischen 20-28°C während der Lichtphase und etwas kühlere Temperaturen während der Dunkelphase.

  • Zu hohe Temperaturen (>30-32°C): Können zu Hitzestress führen, das Wachstum verlangsamen und zum Abbau flüchtiger Terpene und möglicherweise auch einiger Cannabinoide führen.

  • Zu niedrige Temperaturen (<15-18°C): Können das Wachstum ebenfalls hemmen und die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen.

  • Temperaturschwankungen: Starke Schwankungen zwischen Tag und Nacht können Stress verursachen, aber moderate Absenkungen der Nachttemperatur in der späten Blüte können bei einigen Sorten die Produktion von Anthocyanen (Farbstoffen, die zu lila oder roten Farbtönen führen) und die Harzbildung fördern.

Luftfeuchtigkeit (Relative Humidity - RH)

  • Sämlinge/junge Pflanzen: Bevorzugen eine höhere Luftfeuchtigkeit (60-70%).

  • Vegetatives Wachstum: Moderate Luftfeuchtigkeit (50-60%).

  • Blütephase: Niedrigere Luftfeuchtigkeit (40-50%, in der späten Blüte manchmal sogar darunter), um das Risiko von Schimmelbefall (z.B. Botrytis) zu minimieren. Indirekt kann eine optimale Luftfeuchtigkeit die Gesundheit der Trichome und somit die Cannabinoidproduktion unterstützen.

CO₂-Anreicherung

In kontrollierten Indoor-Anbausystemen kann die Anreicherung der Luft mit Kohlendioxid (CO₂) die Photosyntheserate und das Pflanzenwachstum steigern, was potenziell zu höheren Erträgen und somit auch zu einer grösseren Gesamtmenge an Cannabinoiden führen kann. Dies erfordert jedoch eine sorgfältige Abstimmung mit anderen Faktoren wie Lichtintensität und Nährstoffversorgung.

Nährstoffversorgung

Eine ausgewogene Ernährung ist für die gesunde Entwicklung und die optimale Produktion von Cannabinoiden und Terpenen unerlässlich.

  • Makronährstoffe: Stickstoff (N), Phosphor (P), Kalium (K) sind die Hauptnährstoffe.

    • Stickstoff: Wichtig für das vegetative Wachstum. Der Bedarf sinkt in der Blütephase.

    • Phosphor: Entscheidend für die Wurzelentwicklung und Blütenbildung.

    • Kalium: Wichtig für die allgemeine Pflanzengesundheit, Enzymaktivierung und Blütenentwicklung.

  • Sekundärnährstoffe: Calcium (Ca), Magnesium (Mg), Schwefel (S).

    • Magnesium: Zentraler Bestandteil des Chlorophylls.

    • Schwefel: Wichtig für die Synthese einiger Aminosäuren und Terpene.

  • Mikronährstoffe: Eisen (Fe), Mangan (Mn), Zink (Zn), Kupfer (Cu), Bor (B), Molybdän (Mo). Mangel oder Überschuss an bestimmten Nährstoffen kann zu Stress führen und die Qualität und Quantität der Ernte negativ beeinflussen. Spezifische "Blüte-Booster" enthalten oft höhere Mengen an P und K.

Wasserqualität und Bewässerung

  • pH-Wert: Der pH-Wert des Wassers bzw. der Nährlösung beeinflusst die Verfügbarkeit von Nährstoffen für die Pflanze. Für Cannabis liegt der optimale pH-Wert je nach Anbaumedium meist zwischen 5.5 und 6.5.

  • EC-Wert (Electrical Conductivity): Ein Mass für die Gesamtkonzentration der gelösten Salze (Nährstoffe) in der Lösung.

  • Bewässerung: Ausreichende, aber nicht übermässige Bewässerung ist wichtig. Staunässe kann zu Wurzelfäule führen. Der Wasserbedarf variiert je nach Wachstumsstadium, Pflanzengrösse und Umweltbedingungen.

  • Kontrollierter Trockenstress: Einige Züchter praktizieren in der späten Blütephase einen leichten, kontrollierten Wasserentzug ("drought stress"), um die Pflanze zur vermehrten Harzproduktion anzuregen. Dies ist eine fortgeschrittene Technik, die Erfahrung erfordert, da zu starker Stress schädlich sein kann.

Luftzirkulation

Eine gute Luftzirkulation ist entscheidend, um Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Blätterdach gleichmässig zu verteilen, die CO₂-Versorgung der Blätter zu gewährleisten und das Risiko von Schimmel und Schädlingsbefall zu reduzieren. Sie stärkt auch die Stängel der Pflanzen.

Anbausysteme und -techniken

  • Anbaumedien:

    • Boden: Bietet eine natürliche Pufferwirkung und kann bei Verwendung von hochwertiger Bio-Erde ("Living Soil") komplexe Terpenprofile fördern.

    • Kokosfasern: Ein inertes Medium, das eine gute Drainage und Belüftung bietet und eine präzisere Nährstoffsteuerung als Erde ermöglicht.

    • Hydroponik/Aeroponik: Systeme, bei denen die Wurzeln direkt mit einer Nährlösung versorgt werden (Hydroponik) oder mit einem Nährstoffnebel besprüht werden (Aeroponik). Ermöglichen eine sehr präzise Kontrolle und oft schnelleres Wachstum, erfordern aber mehr technisches Know-how.

  • Pflanzentrainingstechniken: Verschiedene Techniken werden angewendet, um die Struktur der Pflanze zu formen, die Lichtausnutzung zu maximieren und die Anzahl der Hauptblüten zu erhöhen:

    • Low-Stress Training (LST): Herunterbinden von Ästen, um ein gleichmässiges Blätterdach zu erzeugen.

    • Topping/Fimming: Entfernen der Haupttriebspitze, um die Pflanze zu buschigerem Wachstum und zur Bildung mehrerer Hauptblüten anzuregen.

    • SCROG (Screen of Green): Ein Netz wird über den Pflanzen gespannt, und die Triebe werden horizontal durch das Netz geleitet, um eine grosse, gleichmässige Blütenoberfläche zu schaffen.

    • SOG (Sea of Green): Viele kleine Pflanzen werden eng zusammen auf kleiner Fläche angebaut, um schnell eine Ernte zu erzielen, wobei jede Pflanze meist nur eine Hauptblüte entwickelt. Diese Techniken zielen primär auf Ertragssteigerung ab, was indirekt auch zu einer höheren Gesamtmenge an Cannabinoiden führt.

Der richtige Erntezeitpunkt: Ein entscheidender Faktor

Der Zeitpunkt der Ernte hat einen massgeblichen Einfluss auf das endgültige Cannabinoid- und Terpenprofil der Blüten. Die Biosynthese ist ein dynamischer Prozess:

  • Trichombeobachtung: Die Farbe der Trichome ist der wichtigste visuelle Indikator für den Reifegrad:

    • Klare Trichome: Die Cannabinoidproduktion hat gerade erst begonnen; der Gehalt ist noch gering.

    • Milchig/trübe Trichome: Dies signalisiert oft den Höhepunkt der THC-Produktion (oder des Haupt-Cannabinoids der jeweiligen Sorte). Viele Züchter ernten in diesem Stadium für eine maximale Potenz und eine eher energetisierende Wirkung.

    • Bernsteinfarbene Trichome: Ein Teil des THC beginnt zu CBN (Cannabinol) zu degradieren. Ein höherer Anteil an bernsteinfarbenen Trichomen wird oft mit einer beruhigenderen, körperbetonteren Wirkung in Verbindung gebracht.

  • Spezifische Minor Cannabinoids: Für die Maximierung bestimmter Minor Cannabinoids kann der Erntezeitpunkt variieren. Beispielsweise könnten Sorten, die auf einen hohen CBG-Gehalt gezüchtet wurden, etwas früher geerntet werden, bevor CBG vollständig in andere Cannabinoide umgewandelt wurde. Für höhere CBN-Werte würde man hingegen deutlich länger warten. Die genaue Bestimmung des optimalen Erntezeitpunkts für ein spezifisches gewünschtes Profil erfordert oft Erfahrung und idealerweise begleitende chemische Analysen.

Nacherntebehandlung: Trocknung und Fermentation (Curing)

Die Sorgfalt beim Anbau darf nach der Ernte nicht enden. Die richtige Trocknung und Fermentation sind entscheidend für die Qualität, das Aroma und die Haltbarkeit des Endprodukts.

  • Trocknung:

    • Die geernteten Blüten sollten langsam und schonend bei kontrollierter Temperatur (ca. 18-22°C) und Luftfeuchtigkeit (ca. 45-55% RH) im Dunkeln getrocknet werden.

    • Gute Luftzirkulation ist wichtig, aber kein direkter Luftstrom auf die Blüten.

    • Dieser Prozess dauert typischerweise 7-14 Tage. Zu schnelles Trocknen führt zum Verlust von Terpenen und einem kratzigen Rauch.

  • Fermentation (Curing):

    • Nach dem Trocknen werden die Blüten in luftdichte Behälter (meist Glasgefässe) gegeben und für mehrere Wochen bis Monate gelagert.

    • Die Behälter werden in den ersten Wochen regelmässig kurz geöffnet ("burping"), um überschüssige Feuchtigkeit und Gase entweichen zu lassen.

    • Während des Curing-Prozesses bauen sich Chlorophyll und Zucker weiter ab, was den Geschmack und die Milde verbessert. Terpenprofile können sich weiterentwickeln und verfeinern. Einige Cannabinoid-Umwandlungen (z.B. Decarboxylierung von Rest-Säuren) können ebenfalls noch stattfinden.

Stressfaktoren und ihre (potenziellen) Auswirkungen

Während chronischer oder starker Stress für die Pflanze schädlich ist, gibt es die Theorie, dass milder, kontrollierter Stress in bestimmten Phasen die Produktion von Sekundärmetaboliten, einschliesslich Cannabinoiden und Terpenen (die oft als Abwehrstoffe dienen), anregen kann. Beispiele hierfür sind:

  • Moderate UV-B-Exposition.

  • Kontrollierter leichter Wasserentzug in der späten Blüte.

  • Mechanischer Stress (z.B. leichtes Biegen der Stängel). Diese Techniken sind jedoch mit Vorsicht anzuwenden und erfordern viel Erfahrung, da die Grenze zu schädlichem Stress schnell überschritten werden kann.

Zusammenfassung: Das komplexe Zusammenspiel

Die Maximierung gewünschter Cannabinoidprofile ist ein komplexes Unterfangen, das ein tiefes Verständnis sowohl der Pflanzengenetik als auch der optimalen Anbaubedingungen erfordert. Es gibt nicht die eine perfekte Methode, da verschiedene Sorten und gewünschte Profile unterschiedliche Ansätze erfordern können.

Die Genetik legt das grundsätzliche Potenzial einer Pflanze fest. Aber erst durch die sorgfältige Steuerung von Licht, Temperatur, Nährstoffen und anderen Umweltfaktoren sowie durch die Wahl des richtigen Erntezeitpunkts und eine professionelle Nacherntebehandlung kann dieses Potenzial voll ausgeschöpft werden. Für Züchter und Anbauer bedeutet dies einen kontinuierlichen Prozess des Lernens, Beobachtens, Testens und Anpassens, um Cannabis-Pflanzen von höchster Qualität mit dem gewünschten spezifischen chemischen Fingerabdruck zu kultivieren.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 10):

  • Cervantes, J. (2015). The Cannabis Encyclopedia: The Definitive Guide to Cultivation & Consumption of Medical Marijuana. Van Patten Publishing. (Umfassender Anbauleitfaden)

  • Rosenthal, E. (2010). Marijuana Grower's Handbook. Quick American Publishing. (Klassiker der Anbauliteratur)

  • Backes, M. (2017). Cannabis Pharmacy: The Practical Guide to Medical Marijuana. Black Dog & Leventhal. (Enthält auch Informationen zu Anbau und Verarbeitung im Kontext medizinischer Anwendung)

  • Potter, D. J. (2014). A review of the cultivation and processing of cannabis (Cannabis sativa L.) for production of prescription medicines in the UK. Drug testing and analysis, 6(1-2), 31-38. Link: https://analyticalsciencejournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/dta.1531

  • Jin, D., Jin, S., & Chen, J. (2019). Cannabis Indoor Cultivation: Factors Affecting Cannabinoid and Terpene Profile. In Cannabis sativa L.-Botany and Biotechnology (pp. 345-367). Springer, Cham. (Wissenschaftliche Übersicht zu Einflussfaktoren)


Kapitel 11: Gewinnung und Formulierung – Minor Cannabinoids in Produkten

Nachdem wir uns ausführlich mit der Genetik, dem Anbau und der Optimierung von Cannabis-Sorten für spezifische Minor Cannabinoids beschäftigt haben, wenden wir uns nun dem nächsten entscheidenden Schritt zu: Wie werden diese wertvollen Verbindungen aus der Pflanze extrahiert und in Produkte formuliert, die für Konsumenten und Patienten zugänglich und anwendbar sind?

Die Gewinnung und Formulierung von Minor Cannabinoids stellt oft eine grössere Herausforderung dar als bei den Haupt-Cannabinoiden THC und CBD, insbesondere wenn hohe Reinheitsgrade oder spezifische Kombinationen angestrebt werden. Die oft geringeren Ausgangskonzentrationen in der Biomasse erfordern effiziente und präzise Extraktions- und Aufreinigungsmethoden.

Von der Pflanze zum Extrakt: Extraktionsmethoden

Das Ziel der Extraktion ist es, die gewünschten Cannabinoide (und oft auch Terpene und andere nützliche Pflanzenstoffe) aus dem Pflanzenmaterial zu lösen und zu konzentrieren. Es gibt verschiedene Methoden, die jeweils ihre Vor- und Nachteile haben:

  1. Lösungsmittelextraktion:

    • Ethanol-Extraktion: Ethanol ist ein sehr effektives Lösungsmittel, das ein breites Spektrum an Cannabinoiden und Terpenen extrahieren kann. Es kann sowohl bei warmen als auch bei sehr kalten Temperaturen (kryogenische Ethanol-Extraktion) eingesetzt werden. Kalte Ethanol-Extraktion hilft, unerwünschte Verbindungen wie Chlorophyll und Wachse zu reduzieren. Ethanol ist relativ sicher, aber brennbar. Die vollständige Entfernung des Ethanols aus dem Endprodukt ist entscheidend.

    • Kohlenwasserstoff-Extraktion (z.B. Butan, Propan, Hexan): Diese Lösungsmittel sind sehr effizient bei der Extraktion von Cannabinoiden und Terpenen und führen oft zu hochpotenten Extrakten (z.B. BHO - Butane Hash Oil). Sie erfordern jedoch spezielle geschlossene Systeme und höchste Sicherheitsvorkehrungen aufgrund ihrer hohen Entflammbarkeit und Explosionsgefahr. Die vollständige Entfernung von Restlösemitteln ist absolut kritisch.

    • Überkritisches/Subkritisches CO₂ (Kohlendioxid): Diese Methode gilt als sehr sauber, sicher und umweltfreundlich, da CO₂ nicht toxisch und nicht brennbar ist und nach der Extraktion einfach verdampft. Durch die genaue Steuerung von Temperatur und Druck kann die Selektivität der Extraktion beeinflusst werden.

      • Überkritisches CO₂: CO₂ wird unter hohen Druck und Temperatur in einen überkritischen Zustand versetzt, in dem es Eigenschaften von Flüssigkeit und Gas vereint. Es ist ein starkes Lösungsmittel, kann aber auch Chlorophyll und Wachse mitextrahieren.

      • Subkritisches CO₂: Verwendet niedrigere Temperaturen und Drücke. Es ist schonender und selektiver für empfindliche Verbindungen wie Terpene und einige Minor Cannabinoids, hat aber eine geringere Extraktionseffizienz. Oft werden beide Methoden kombiniert.

  2. Lösungsmittelfreie Extraktion:

    • Mechanische Trennung (z.B. Trockensiebung, Eiswasser-Extraktion/Bubble Hash): Hierbei werden die Trichome (Harzdrüsen) mechanisch von der Pflanze getrennt, ohne den Einsatz von chemischen Lösungsmitteln. Das Ergebnis sind Konzentrate wie Kief oder Haschisch. Diese Methoden sind traditionell und gelten als sehr natürlich, die Ausbeute und Reinheit der spezifischen Cannabinoide kann jedoch geringer sein als bei Lösungsmittelextraktionen.

    • Rosin-Pressung: Eine relativ neue lösungsmittelfreie Methode, bei der Hitze und Druck verwendet werden, um das Harz direkt aus den Blüten oder Kief/Haschisch herauszupressen. Rosin ist bekannt für sein reiches Terpenprofil.

Die Wahl der Extraktionsmethode hängt von vielen Faktoren ab, darunter das gewünschte Endprodukt (Vollspektrum, Breitspektrum, Isolat), die Ziel-Cannabinoide, die verfügbare Ausrüstung, Kosten und regulatorische Anforderungen.



Aufreinigung und Isolierung: Von Rohextrakt zu reinen Verbindungen

Nach der primären Extraktion liegt oft ein Rohextrakt vor, der neben den gewünschten Cannabinoiden auch andere Pflanzenstoffe wie Wachse, Fette, Chlorophyll und andere Cannabinoide enthält. Für viele Anwendungen, insbesondere im pharmazeutischen Bereich oder wenn spezifische Minor Cannabinoids in hoher Konzentration benötigt werden, sind weitere Aufreinigungsschritte erforderlich:

  1. Winterisierung (Entparaffinierung): Der Rohextrakt wird in Ethanol gelöst und stark abgekühlt (z.B. auf -20°C bis -80°C). Dadurch fallen unerwünschte Fette, Wachse und Lipide aus und können abfiltriert werden. Dies führt zu einem saubereren und reineren Extrakt.

  2. Destillation:

    • Kurzwegdestillation (Short Path Distillation) / Dünnschichtverdampfung: Diese Methoden nutzen Vakuum und Hitze, um Cannabinoide aufgrund ihrer unterschiedlichen Siedepunkte voneinander und von anderen Verunreinigungen zu trennen. Es können sehr reine Destillate mit hohen Cannabinoid-Konzentrationen (oft >80-90%) hergestellt werden. Dies ist ein gängiger Schritt zur Herstellung von THC- oder CBD-Destillaten und kann auch zur Anreicherung von Minor Cannabinoids verwendet werden.

  3. Chromatographie: Dies ist eine Gruppe von Trenntechniken, die es ermöglichen, einzelne Verbindungen mit sehr hoher Präzision voneinander zu trennen. Für die Isolierung spezifischer Minor Cannabinoids ist Chromatographie oft unerlässlich, insbesondere wenn sie in sehr geringen Mengen im Ausgangsmaterial vorhanden sind.

    • Flash-Chromatographie: Eine schnellere Form der Säulenchromatographie.

    • Präparative Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC): Ermöglicht die Trennung und Sammlung einzelner Cannabinoide in hoher Reinheit (Isolate mit >99% Reinheit). Dies ist die Methode der Wahl zur Herstellung von reinen CBG-, THCV-, CBDV- oder CBC-Isolaten. Sie ist jedoch aufwendig und teuer.

    • Zentrifugal-Partitions-Chromatographie (CPC): Eine flüssig-flüssig-Chromatographietechnik, die ohne feste stationäre Phase auskommt und eine schonende und effiziente Trennung ermöglicht.

Vollspektrum, Breitspektrum, Isolate – Was ist der Unterschied?

Bei Cannabis-Produkten, die auf Extrakten basieren, unterscheidet man oft zwischen drei Hauptkategorien:

  • Vollspektrum-Extrakte (Full Spectrum): Enthalten das gesamte Spektrum an Cannabinoiden, Terpenen und anderen potenziell nützlichen Pflanzenstoffen, die natürlicherweise in der verwendeten Pflanze vorkommen, einschliesslich geringer Mengen THC (sofern gesetzlich zulässig). Befürworter von Vollspektrum-Produkten betonen den Entourage-Effekt, bei dem das Zusammenspiel aller Komponenten eine stärkere oder bessere Wirkung erzielt als isolierte Verbindungen.

  • Breitspektrum-Extrakte (Broad Spectrum): Ähnlich wie Vollspektrum, enthalten aber in der Regel kein THC (oder THC wird gezielt entfernt, z.B. auf nicht nachweisbare Mengen). Sie bieten immer noch eine Reihe von Cannabinoiden und Terpenen für einen potenziellen Entourage-Effekt, sind aber für Personen geeignet, die THC vermeiden möchten oder müssen.

  • Isolate: Dies sind reine, isolierte Cannabinoide, typischerweise in kristalliner oder pulverförmiger Form, mit einer Reinheit von über 99%. Beispiele sind CBD-Isolat, CBG-Isolat etc. Isolate ermöglichen eine sehr präzise Dosierung einer einzelnen Verbindung und sind frei von anderen Pflanzenstoffen und THC. Sie bieten jedoch nicht den potenziellen Entourage-Effekt.

Die Entscheidung für Vollspektrum, Breitspektrum oder Isolat hängt von den individuellen Bedürfnissen, den gewünschten Effekten, rechtlichen Rahmenbedingungen und persönlichen Präferenzen ab. Bei Produkten, die auf spezifische Minor Cannabinoids fokussieren, kann es sinnvoll sein, diese entweder als Isolat anzubieten oder sie gezielt Breitspektrum- oder Vollspektrum-Extrakten hinzuzufügen, um deren Konzentration zu erhöhen.

Formulierung: Von reinen Verbindungen zu anwendbaren Produkten

Sobald die gewünschten Cannabinoide extrahiert und gegebenenfalls aufgereinigt oder isoliert wurden, müssen sie in eine Form gebracht werden, die für den Endverbraucher sicher, effektiv und einfach anzuwenden ist. Die Formulierung spielt eine entscheidende Rolle für die Bioverfügbarkeit (wie gut und wie viel des Wirkstoffs vom Körper aufgenommen wird), die Stabilität und die Benutzerfreundlichkeit des Produkts.

Gängige Produktformen sind:

  • Öle und Tinkturen: Cannabinoid-Extrakte oder -Isolate werden in einem Trägeröl (z.B. MCT-Öl, Hanfsamenöl, Olivenöl) gelöst. Sie werden meist sublingual (unter die Zunge) eingenommen oder Lebensmitteln zugesetzt.

  • Kapseln und Softgels: Bieten eine präzise, vordosierte Einnahmeform.

  • Esswaren (Edibles): Cannabinoide werden Lebensmitteln wie Gummibärchen, Schokolade, Gebäck etc. zugesetzt. Die Wirkung tritt verzögert ein, hält aber oft länger an.

  • Topische Produkte (Cremes, Salben, Lotionen, Balsame): Für die äusserliche Anwendung auf der Haut zur Linderung lokaler Beschwerden (z.B. Schmerzen, Entzündungen, Hautprobleme). Cannabinoide werden hier oft nicht systemisch (im ganzen Körper) aufgenommen.

  • Vape-Produkte (Liquids, Kartuschen): Für die Inhalation mittels Vaporizer. Die Wirkung tritt sehr schnell ein. Die Sicherheit von Vape-Zusatzstoffen ist ein wichtiger Aspekt.

  • Pharmazeutische Formulierungen: Für medizinische Anwendungen können spezielle Formulierungen entwickelt werden, um die Bioverfügbarkeit zu verbessern, die Freisetzung zu steuern oder die Verabreichung zu erleichtern (z.B. transdermale Pflaster, Nasensprays).

Bei der Formulierung von Produkten mit Minor Cannabinoids müssen deren spezifische chemische Eigenschaften (z.B. Löslichkeit, Stabilität) berücksichtigt werden. Auch die Kombination mit anderen Cannabinoiden oder Terpenen zur Erzielung spezifischer synergistischer Effekte ist ein wichtiger Aspekt der Produktentwicklung.

Qualitätskontrolle und Analytik

Unabhängig von der Extraktions- oder Formulierungsmethode ist eine strenge Qualitätskontrolle unerlässlich. Dazu gehören:

  • Analyse des Cannabinoid- und Terpenprofils: Um die genaue Zusammensetzung und Konzentration der Wirkstoffe zu bestimmen.

  • Prüfung auf Restlösemittel: Bei lösungsmittelbasierten Extraktionen.

  • Prüfung auf Pestizide, Schwermetalle und mikrobielle Verunreinigungen: Um die Sicherheit des Produkts zu gewährleisten. Zertifikate von unabhängigen Drittlaboren (Certificates of Analysis - CoA) sind ein wichtiger Indikator für die Qualität und Transparenz eines Produkts.

Zusammenfassung

Die Gewinnung und Formulierung von Minor Cannabinoids ist ein anspruchsvoller Prozess, der spezialisiertes Wissen und fortschrittliche Technologien erfordert. Von der Wahl der richtigen Extraktionsmethode über präzise Aufreinigungsschritte bis hin zur Entwicklung stabiler und wirksamer Produktformulierungen – jeder Schritt muss sorgfältig geplant und kontrolliert werden.

Das Ziel ist es, das volle Potenzial dieser seltenen, aber oft hochwirksamen Pflanzenstoffe nutzbar zu machen und sie in sicheren, konsistenten und anwenderfreundlichen Produkten anzubieten. Mit fortschreitender Forschung und Technologieentwicklung werden die Methoden zur Gewinnung und Formulierung von Minor Cannabinoids weiter verfeinert, was den Weg für eine neue Generation von spezialisierten Cannabis-basierten Produkten ebnet.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 11):

  • Russo, E. B. (2019). The Case for the Entourage Effect and Conventional Breeding of Clinical Cannabis: No "Strain," No Gain. Frontiers in Plant Science, 9, 1969. Link: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpls.2018.01969/full (Diskutiert den Entourage-Effekt und die Bedeutung von Vollspektrum)

  • Bridgeman, M. B., & Abazia, D. T. (2017). Medicinal Cannabis: History, Pharmacology, And Implications for the Acute Care Setting. P & T: a peer-reviewed journal for formulary management, 42(3), 180. (Gibt einen Überblick über verschiedene Formulierungen)

  • Citti, C., Linciano, P., Russo, F., Luongo, L., Iannotta, M., Maione, S., ... & Cannazza, G. (2019). A novel phytocannabinoid isolated from Cannabis sativa L. with an in vivo cannabimimetic activity higher than Δ9-tetrahydrocannabinol: Δ9-Tetrahydrocannabiphorol. Scientific reports, 9(1), 1-13. (Beispiel für die Entdeckung und Isolierung neuer Cannabinoide)

  • Hazekamp, A. (2018). Cannabis: extracting the medicine. In Phytocannabinoids (pp. 119-140). Springer, Cham. (Buchkapitel zu Extraktionsmethoden)

  • Valizadehderakhshan, M., Shahbazi, A., Kazem-Rostami, M., Todd, M. S., Bhowmik, A., & Wang, L. (2021). Extraction of cannabinoids from Cannabis sativa L. (Hemp)—A review of existing literature. Journal of the American Oil Chemists' Society, 98(6), 585-606. (Review zu Extraktionstechniken)


Kapitel 12: Rechtliche Rahmenbedingungen und Marktausblick für Minor Cannabinoids

Nachdem wir uns eingehend mit der Biologie, Züchtung, dem Anbau und der Produktentwicklung von Minor Cannabinoids beschäftigt haben, ist es unerlässlich, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und den zukünftigen Marktausblick zu beleuchten. Die regulatorische Landschaft für Cannabis und seine einzelnen Bestandteile ist komplex, dynamisch und unterscheidet sich erheblich von Land zu Land, ja sogar innerhalb von Regionen. Ein klares Verständnis dieser Rahmenbedingungen ist sowohl für Produzenten, Konsumenten als auch für Forscher von entscheidender Bedeutung.


Rechtliche Situation in der Schweiz

Die Schweiz hat in den letzten Jahren eine progressive Haltung gegenüber Cannabis eingenommen, insbesondere im Hinblick auf Produkte mit niedrigem THC-Gehalt und für medizinische Anwendungen.

  • Cannabis mit <1% THC: Produkte, die weniger als 1% THC enthalten, fallen in der Schweiz nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Dies hat den Markt für CBD-reiche Produkte (Blüten, Öle etc.) eröffnet. Viele Minor Cannabinoids, sofern sie nicht explizit als Betäubungsmittel gelistet sind und in Produkten mit <1% THC vorkommen, können unter diese Regelung fallen. Es ist jedoch wichtig, die spezifische Klassifizierung jedes einzelnen Cannabinoids zu prüfen.

  • Medizinalcannabis: Seit August 2022 ist die Verschreibung von Medizinalcannabis durch Ärzte in der Schweiz erleichtert worden. Eine Ausnahmebewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) ist nicht mehr für jede Verschreibung nötig. Dies öffnet potenziell auch die Tür für medizinische Produkte, die spezifische Minor Cannabinoids in höheren Konzentrationen enthalten, sofern deren Wirksamkeit und Sicherheit belegt sind und sie als Arzneimittel zugelassen werden.

  • Novel Food Verordnung: Wenn Cannabinoid-Extrakte oder isolierte Cannabinoide Lebensmitteln zugesetzt werden, können sie unter die Novel Food Verordnung der EU fallen, die auch in der Schweiz relevant ist. Dies bedeutet, dass sie möglicherweise eine Zulassung als neuartiges Lebensmittel benötigen, bevor sie vermarktet werden dürfen. Dies betrifft insbesondere Extrakte, die nicht durch traditionelle Methoden gewonnen wurden oder deren Konzentration an bestimmten Cannabinoiden signifikant höher ist als in der Ursprungspflanze.

  • Pilotversuche mit Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken: Die Schweiz hat Pilotprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken in einigen Städten genehmigt. Diese Projekte sollen wissenschaftliche Daten für zukünftige Regulierungsentscheidungen liefern. Die Rolle von Minor Cannabinoids in diesen Produkten könnte ebenfalls untersucht werden.

Ausblick auf die EU und international

Die rechtliche Situation in der Europäischen Union ist weniger harmonisiert.

  • CBD: Die Einstufung von CBD variiert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass CBD, das legal in einem EU-Mitgliedstaat hergestellt wird, nicht als Betäubungsmittel eingestuft werden sollte, sofern es nicht psychoaktiv ist. Die Novel Food Verordnung ist jedoch auch hier ein wichtiger Faktor für CBD-haltige Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel.

  • Andere Minor Cannabinoids: Für viele Minor Cannabinoids gibt es oft keine spezifischen gesetzlichen Regelungen auf EU-Ebene, was zu Unsicherheiten führt. Ihre Legalität hängt oft von der nationalen Gesetzgebung der einzelnen Mitgliedstaaten und ihrer Interpretation des UN-Einheitsübereinkommens über Suchtstoffe ab.

  • THC-Grenzwerte: Die zulässigen THC-Grenzwerte für Hanfprodukte (z.B. für Industriehanf) sind in der EU in der Regel niedriger als in der Schweiz (meist 0,2% oder 0,3% THC).

International ist die Lage noch vielfältiger. Länder wie Kanada und einige US-Bundesstaaten haben Cannabis für medizinische und/oder Genusszwecke legalisiert, was die Forschung und Produktentwicklung, auch im Bereich der Minor Cannabinoids, vorantreibt. Andere Länder haben weiterhin sehr strenge Verbote.

Herausforderungen und Chancen für Minor Cannabinoids

Die spezifische rechtliche Behandlung von Minor Cannabinoids ist oft eine Grauzone. Da sie weniger bekannt sind und oft nicht explizit in Drogengesetzen genannt werden, hängt ihre Legalität häufig davon ab:

  • Ob sie als psychoaktiv eingestuft werden.

  • Ob sie als Analoga von kontrollierten Substanzen (wie THC) gelten.

  • Aus welcher Quelle sie stammen (z.B. Hanf mit niedrigem THC-Gehalt vs. THC-reichem Cannabis).

  • Wie sie im Endprodukt formuliert und vermarktet werden (z.B. als Lebensmittel, Kosmetikum, Arzneimittel).

Diese Unsicherheit kann die Forschung, Produktentwicklung und den Marktzugang erschweren. Gleichzeitig bieten sich Chancen, wenn bestimmte Minor Cannabinoids nachweislich nicht psychoaktiv sind und positive gesundheitliche Effekte zeigen, da sie möglicherweise weniger streng reguliert werden als THC.

Marktausblick und Trends

Der Markt für Cannabinoide wächst weltweit rasant, und das Interesse an Minor Cannabinoids nimmt stetig zu. Mehrere Faktoren treiben diese Entwicklung an:

  1. Wachsende wissenschaftliche Evidenz: Immer mehr Studien belegen das therapeutische Potenzial von CBG, THCV, CBDV, CBC und anderen.

  2. Nachfrage nach spezifischen Wirkungen: Konsumenten und Patienten suchen nach Produkten mit gezielten Effekten (z.B. für Schlaf, Energie, Schmerzlinderung, Entzündungshemmung), die über die allgemeinen Wirkungen von THC und CBD hinausgehen.

  3. Personalisierte Medizin: Minor Cannabinoids eröffnen die Möglichkeit für stärker personalisierte Cannabis-Therapien, die auf individuelle Bedürfnisse und genetische Profile zugeschnitten sind.

  4. Innovation in der Züchtung und Extraktion: Fortschritte in der Züchtung ermöglichen die Produktion von Sorten mit höheren Gehalten an spezifischen Minor Cannabinoids. Verbesserte Extraktions- und Isolierungstechniken machen diese Verbindungen zugänglicher.

  5. Entwicklung neuer Produktkategorien: Es entstehen neue Produkte, die gezielt auf die Eigenschaften einzelner oder kombinierter Minor Cannabinoids ausgerichtet sind (z.B. THCV-Produkte zur Appetitkontrolle, CBN-Produkte für den Schlaf, CBG-Produkte für Entzündungen).

  6. Wellness-Markt: Neben medizinischen Anwendungen gibt es ein grosses Potenzial im Wellness- und Lifestyle-Bereich für nicht-psychoaktive Minor Cannabinoids.

  7. Pharmazeutische Entwicklungen: Pharmaunternehmen investieren zunehmend in die Forschung und Entwicklung von Medikamenten auf Basis von Minor Cannabinoids für spezifische Indikationen.

Potenzielle Hürden für das Marktwachstum

Trotz des grossen Potenzials gibt es auch Hürden:

  • Regulatorische Unsicherheit und Fragmentierung: Unterschiedliche und sich ändernde Gesetze erschweren den internationalen Handel und die Marktentwicklung.

  • Kosten für Forschung und Entwicklung: Die Erforschung und Zulassung neuer Produkte ist teuer.

  • Standardisierung und Qualitätskontrolle: Die Gewährleistung konsistenter Qualität und genauer Kennzeichnung ist entscheidend für das Vertrauen der Verbraucher.

  • Aufklärungsbedarf: Sowohl Konsumenten als auch medizinisches Fachpersonal benötigen mehr Informationen und Schulungen über die spezifischen Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten von Minor Cannabinoids.

Die Rolle von High Level Genetics

Für Unternehmen wie High Level Genetics, die sich auf die Züchtung spezialisierter Cannabis-Sorten konzentrieren, ist die Entwicklung von Genetik mit hohen Anteilen an vielversprechenden Minor Cannabinoids ein zentrales Zukunftsfeld. Indem wir Sorten bereitstellen, die als zuverlässige Quelle für diese seltenen Verbindungen dienen, tragen wir dazu bei:

  • Die wissenschaftliche Forschung zu unterstützen.

  • Die Entwicklung innovativer Produkte zu ermöglichen.

  • Den Bedürfnissen eines sich wandelnden Marktes gerecht zu werden.

Wir verfolgen die rechtlichen Entwicklungen genau und setzen uns für eine wissenschaftsbasierte und vernünftige Regulierung ein, die Innovation fördert und gleichzeitig den Verbraucherschutz gewährleistet.

Zusammenfassung und Fazit

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Minor Cannabinoids sind ein komplexes und sich ständig wandelndes Feld, das von grosser Bedeutung für die Zukunft dieser Verbindungen ist. Während in der Schweiz bereits ein progressiverer Weg eingeschlagen wurde, bleiben international viele Unsicherheiten bestehen.

Ungeachtet dessen ist der Marktausblick für Minor Cannabinoids äusserst positiv. Getrieben von wissenschaftlichen Erkenntnissen, einer steigenden Nachfrage nach spezifischen Wirkungen und technologischen Fortschritten, stehen wir am Beginn einer neuen Ära, in der das volle Spektrum der Cannabis-Pflanze genutzt wird. Minor Cannabinoids haben das Potenzial, die medizinische Anwendung von Cannabis zu revolutionieren und eine Vielzahl neuer Produkte für Gesundheit, Wellness und Lifestyle hervorzubringen. Eine klare und wissenschaftsbasierte Regulierung wird entscheidend sein, um dieses Potenzial sicher und verantwortungsvoll zu erschliessen.

Quellen und weiterführende Literatur (Kapitel 12):


Kapitel 13: High Level Genetics – Pioniere für eine vielfältige Cannabis-Zukunft

Nach unserer ausführlichen Reise durch die Welt der Minor Cannabinoids – von ihrer Entdeckung über ihre potenziellen medizinischen Anwendungen bis hin zu den Feinheiten ihrer Züchtung, ihres Anbaus und der rechtlichen Rahmenbedingungen – möchten wir dieses E-Book mit einem Blick auf die Vision und das Engagement von High Level Genetics abschliessen. Als Ihr Partner in der Welt der Cannabis-Genetik sehen wir es als unsere Mission, nicht nur erstklassige Samen zu liefern, sondern auch Wissen zu vermitteln und die Grenzen dessen zu erweitern, was mit dieser aussergewöhnlichen Pflanze möglich ist.

Unsere Vision: Das volle Potenzial von Cannabis erschliessen

Bei High Level Genetics sind wir fest davon überzeugt, dass die Cannabis-Pflanze ein noch weitgehend ungenutztes Reservoir an therapeutischen und wohltuenden Verbindungen birgt. Während THC und CBD wichtige und wertvolle Cannabinoide sind, glauben wir, dass die wahre Zukunft in der Vielfalt liegt – in der gezielten Nutzung des gesamten Spektrums an Cannabinoiden, Terpenen und anderen Pflanzenstoffen, um spezifische Bedürfnisse zu adressieren und das Wohlbefinden zu fördern.

Unsere Vision ist eine Zukunft, in der:

  • Präzise Cannabis-Therapien möglich sind, die auf die individuellen Bedürfnisse von Patienten zugeschnitten sind, basierend auf spezifischen Cannabinoid- und Terpenprofilen.

  • Das volle Spektrum der Pflanze verstanden und genutzt wird, um den Entourage-Effekt optimal auszuschöpfen.

  • Nachhaltige und verantwortungsvolle Anbaumethoden Standard sind, um qualitativ hochwertige und sichere Produkte zu gewährleisten.

  • Wissen und Aufklärung dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und eine informierte Diskussion über Cannabis zu ermöglichen.

Die Erforschung und Nutzbarmachung von Minor Cannabinoids wie CBG, THCV, CBDV, CBC und vielen anderen ist ein zentraler Pfeiler dieser Vision.

Unser Engagement: Qualität, Forschung und Innovation in der Züchtung

Um diese Vision zu verwirklichen, setzen wir bei High Level Genetics auf drei Kernprinzipien:

  1. Qualität an erster Stelle: Wir verpflichten uns zu höchsten Qualitätsstandards bei unserer Genetik. Das bedeutet stabile, widerstandsfähige Sorten mit konsistenten und verlässlichen chemischen Profilen. Jede Sorte in unserem Katalog durchläuft strenge Selektions- und Testverfahren, um sicherzustellen, dass sie unseren und Ihren Erwartungen entspricht. Wir legen Wert auf Transparenz und stellen detaillierte Informationen zu den Eigenschaften unserer Genetiken zur Verfügung.

  2. Forschung und Entwicklung: Die Welt der Cannabis-Wissenschaft entwickelt sich rasant. Wir investieren kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um an der Spitze dieser Entwicklung zu stehen. Dies beinhaltet:

    • Identifizierung und Charakterisierung neuer Genetiken: Wir sind ständig auf der Suche nach Pflanzen mit einzigartigen und vielversprechenden Cannabinoid- und Terpenprofilen, einschliesslich hoher Konzentrationen seltener Minor Cannabinoids.

    • Zusammenarbeit mit Experten: Wir arbeiten mit Wissenschaftlern, Forschern und anderen Experten zusammen, um unser Verständnis der Pflanze zu vertiefen und neue Anwendungsmöglichkeiten zu erschliessen.

    • Analyse und Datenerfassung: Wir nutzen moderne Analysemethoden, um die chemischen Profile unserer Sorten präzise zu bestimmen und unsere Züchtungsentscheidungen auf soliden Daten zu basieren.

  3. Innovation in der Züchtung: Unser Herzstück ist die Züchtung. Wir kombinieren traditionelle Züchtungsmethoden mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen, um neue Sorten zu entwickeln, die spezifische Anforderungen erfüllen. Im Kontext der Minor Cannabinoids bedeutet dies:

    • Gezielte Kreuzungsprogramme: Wir entwickeln Zuchtlinien, die darauf abzielen, die Konzentrationen von CBG, THCV, CBDV, CBC oder anderen interessanten Verbindungen signifikant zu erhöhen.

    • Phänotyp-Selektion: Wir führen umfangreiche Selektionen durch, um Individuen mit den gewünschten chemischen Profilen und agronomischen Eigenschaften zu identifizieren.

    • Stabilisierung neuer Linien: Wir arbeiten daran, neue Sorten zu stabilisieren, sodass sie ihre einzigartigen Eigenschaften zuverlässig an die nächste Generation weitergeben.

    • Fokus auf den Entourage-Effekt: Wir berücksichtigen bei der Züchtung nicht nur einzelne Cannabinoide, sondern auch das Zusammenspiel mit Terpenen und anderen Pflanzenstoffen, um optimale synergistische Effekte zu erzielen.

Was Sie von High Level Genetics erwarten können

Als Kunde und Partner von High Level Genetics können Sie Folgendes erwarten:

  • Zugang zu exklusiver und innovativer Genetik: Wir sind bestrebt, Ihnen eine vielfältige Auswahl an Cannabis-Sorten anzubieten, einschliesslich solcher, die reich an spezifischen Minor Cannabinoids sind und neue Möglichkeiten für Anbau und Anwendung eröffnen.

  • Verlässliche Informationen und Beratung: Wir teilen unser Wissen gerne und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite, sei es bei der Auswahl der richtigen Sorte für Ihre Bedürfnisse oder bei Fragen zum Anbau.

  • Engagement für die Community: Wir sehen uns als Teil einer wachsenden Gemeinschaft von Züchtern, Anwendern, Forschern und Enthusiasten, die sich für das Potenzial von Cannabis einsetzen. Wir fördern den Austausch von Wissen und Erfahrungen.

  • Ein Blick in die Zukunft: Wir werden weiterhin an vorderster Front der Forschung und Entwicklung im Bereich der Cannabis-Genetik stehen und Ihnen die neuesten Innovationen zugänglich machen. Die Welt der Minor Cannabinoids ist erst am Anfang ihrer Entdeckung, und wir freuen uns darauf, diesen Weg gemeinsam mit Ihnen zu gehen.

Ein gemeinsamer Weg in eine vielfältige Cannabis-Zukunft

Dieses E-Book hat Ihnen hoffentlich einen umfassenden Einblick in die spannende und komplexe Welt der Minor Cannabinoids gegeben. Es hat gezeigt, dass Cannabis weit mehr ist als nur THC und CBD und dass in den "Nebendarstellern" ein enormes Potenzial für Gesundheit, Wohlbefinden und wissenschaftliche Entdeckungen steckt.

Die Reise zur vollständigen Erschliessung dieses Potenzials erfordert Neugier, Forschung, Innovation und eine offene, wissenschaftsbasierte Herangehensweise. Bei High Level Genetics sind wir stolz darauf, unseren Beitrag zu dieser Reise zu leisten. Wir laden Sie ein, Teil dieser Entwicklung zu sein, sei es als Züchter, der unsere spezialisierte Genetik anbaut, als Konsument, der die vielfältigen Wirkungen dieser Pflanze entdeckt, oder als Interessierter, der sein Wissen erweitert.

Vielen Dank, dass Sie uns auf dieser Entdeckungsreise begleitet haben. Die Zukunft von Cannabis ist vielfältig, und sie hat gerade erst begonnen.

Ihr Team von High Level Genetics

 
 
 

Kommentare


bottom of page