Die Aromatische DNA: Wie die Genetik das Terpenprofil von Cannabis steuert und Aroma und Wirkung prägt
- fn2136
- 21. Mai
- 5 Min. Lesezeit
Jeder erfahrene Cannabis-Kenner weiss: Aroma und Geschmack sind weit mehr als nur angenehme sensorische Eindrücke. Sie sind die Signatur einer Sorte, ein wichtiger Hinweis auf ihre Qualität und, dank des faszinierenden Entourage-Effekts, potenziell auch ein Indikator für ihre Wirkung. Verantwortlich für diese vielfältige Palette an Düften und Geschmäckern sind die Terpene. Doch was bestimmt, welches Terpenprofil eine bestimmte Cannabissorte entwickelt? Wie "weiss" eine Pflanze, ob sie nach Zitrusfrüchten, Kiefern, Diesel oder Beeren riechen soll? Die Antwort liegt tief in ihrer genetischen Blaupause.

Bei High Level Genetics beschäftigen wir uns intensiv mit der Genetik, die hinter den komplexen Eigenschaften von Cannabis steckt – und dazu gehören ganz zentral die Terpene. Das Verständnis, wie Gene die Terpenproduktion steuern, ist entscheidend für die Züchtung von Sorten mit gewünschten sensorischen Qualitäten und spezifischen Wirkprofilen.
In diesem Artikel tauchen wir in die Welt der Terpene und der Genetik ein. Wir erklären, wie Gene die Produktion dieser aromatischen Verbindungen beeinflussen und wie dies letztendlich das Aroma, den Geschmack und potenziell auch die Wirkung einer Sorte mitbestimmt.
Terpene: Die Aromatischen Architekten
Terpene sind eine grosse und vielfältige Klasse organischer Verbindungen, die von Pflanzen und einigen Insekten produziert werden. Sie sind für den charakteristischen Geruch vieler Pflanzen verantwortlich – von der Rose bis zum Kiefernbaum, von Zitronenschalen bis zu Lavendel. In der Cannabispflanze werden Terpene hauptsächlich in denselben Drüsenhaaren (Trichomen) produziert, die auch die Cannabinoide herstellen. Über 100 verschiedene Terpene wurden bisher in Cannabis identifiziert.
Jedes Terpen hat seinen eigenen, unverwechselbaren Duft und potenziell auch eigene biologische Aktivitäten:
Myrcen: Oft in Mangos und Hopfen gefunden, erdig, moschusartig. Wird oft mit sedierenden Effekten in Verbindung gebracht.
Limonen: Zitrusartig, erfrischend. Untersucht auf stimmungsaufhellende und stressreduzierende Eigenschaften.
Linalool: Blumig, nach Lavendel riechend. Wird mit beruhigenden und angstlösenden Effekten assoziiert.
Caryophyllen: Würzig, pfeffrig. Als einziges Terpen bekannt, das direkt an CB2-Rezeptoren bindet; untersucht auf entzündungshemmende Eigenschaften.
Alpha- & Beta-Pinen: Riecht nach Kiefern. Wird auf wachmachende und gedächtnisfördernde Effekte untersucht.
Diese Terpene – und ihre unzähligen Kombinationen in unterschiedlichen Verhältnissen – sind für die riesige Bandbreite an Cannabis-Aromen und -Geschmäcken verantwortlich.
Die Biochemische Werkstatt: Wie die Pflanze Terpene herstellt
Die Herstellung von Terpenen in der Pflanze ist ein komplexer biochemischer Prozess. Er beginnt mit einfachen Kohlenstoffeinheiten, die durch verschiedene Stoffwechselwege (hauptsächlich den MEP-Weg in den Plastiden und den MVA-Weg im Zytosol) zu "Bausteinen" namens Isopentenylpyrophosphat (IPP) und Dimethylallylpyrophosphat (DMAPP) zusammengefügt werden.
Diese IPP- und DMAPP-Einheiten werden dann chemisch verbunden, um längere Ketten zu bilden. Je nach Anzahl der verbundenen Einheiten entstehen verschiedene Klassen von Terpenen:
Zwei Einheiten bilden Monoterpene (wie Myrcen, Limonen, Linalool, Pinene).
Drei Einheiten bilden Sesquiterpene (wie Caryophyllen).
Vier Einheiten bilden Diterpene (z. B. Phytol, ein Bestandteil von Chlorophyll).
Grössere Einheiten bilden Triterpene, Tetraterpene (wie Carotinoide) und Polyterpene (wie Kautschuk).
Der entscheidende Schritt, der bestimmt, welches spezifische Terpenmolekül aus diesen Bausteinen entsteht, wird von einer Gruppe von Enzymen ausgeführt, die als Terpen-Synthasen (TPS) bekannt sind. Jede spezifische TPS-Enzymart nimmt die Terpen-Bausteine (z. B. eine Kette aus zwei Einheiten für Monoterpene) und faltet sie auf eine ganz bestimmte Weise, um ein einziges oder ein paar spezifische Terpenmoleküle zu erzeugen. Eine Limonen-Synthase macht Limonen, eine Myrcen-Synthase macht Myrcen, usw.
Die Gene: Der Bauplan für die Werkzeuge (TPS Enzyme)
Hier schliesst sich der Kreis zur Genetik: Die Anweisungen für die Herstellung all dieser verschiedenen Terpen-Synthase (TPS) Enzyme sind in den Genen der Cannabispflanze kodiert. Jedes TPS-Gen enthält den spezifischen "Bauplan" für ein bestimmtes TPS-Enzym.
Eine Cannabispflanze besitzt einen Satz von TPS-Genen. Die genaue Anzahl und Art dieser TPS-Gene variiert von Sorte zu Sorte.
Innerhalb jedes TPS-Gens kann es verschiedene Allele (Varianten) geben. Diese Allele können dazu führen, dass das produzierte Enzym effizienter oder weniger effizient arbeitet, oder dass es leicht unterschiedliche Produkte herstellt.
Die spezifische Kombination von TPS-Genen und deren Allelen im Genotyp einer Cannabispflanze bestimmt, welche TPS-Enzyme sie überhaupt herstellen kann und in welcher relativen Aktivität. Dies ist der genetische Faktor, der diktiert, welche Terpene die Pflanze potenziell produzieren kann.
Genetische Vielfalt = Terpen-Vielfalt
Die enorme aromatische Vielfalt bei Cannabissorten ist ein direktes Ergebnis der genetischen Vielfalt in ihren TPS-Genen.
Eine Sorte, die das Gen für eine hochaktive Limonen-Synthase geerbt hat, hat das Potenzial, viel Limonen zu produzieren, was zu einem zitrusartigen Aroma führt.
Eine andere Sorte könnte Gene für dominante Pinene-Synthasen besitzen, was ihr ein kiefernartiges Profil verleiht.
Wieder andere Sorten haben eine breitere Palette aktiver TPS-Gene, was zu komplexeren Profilen mit Mischungen aus blumigen, würzigen, fruchtigen und erdigen Noten führt.
Der Genotyp liefert also die grundlegende Ausstattung an "Werkzeugen" (TPS-Enzymen), die bestimmen, welche "Baumaterialien" (IPP/DMAPP) zu welchen "Gebäuden" (Terpenen) zusammengefügt werden können.
Vom Gen zur Nase und zum Effekt: Terpene und der Entourage-Effekt
Die genetische Steuerung der Terpenproduktion hat direkte Auswirkungen auf:
Aroma und Geschmack (Der sensorische Phänotyp): Die Kombination und das relative Verhältnis der von der Genetik produzierten Terpene erzeugen das einzigartige Geruchs- und Geschmacksprofil einer Sorte. Dies ist das offensichtlichste Ergebnis der genetischen Terpen-Blaupause, moduliert durch Umwelteinflüsse.
Die Wirkung (Im Rahmen des Entourage-Effekts): Hier wird es besonders spannend. Die Theorie des Entourage-Effekts besagt, dass Terpene synergistisch mit Cannabinoiden zusammenwirken und die Gesamtwirkung modulieren können. Während die Genetik primär die Terpenproduktion bestimmt, trägt die Präsenz und das Verhältnis dieser genetisch bedingten Terpene zur gesamten biochemischen Signatur der Sorte bei, die dann mit dem Endocannabinoid-System und anderen Rezeptoren im Körper interagiert. Zum Beispiel:
Eine Sorte mit Genetik für hohen Myrcen-Gehalt könnte eine tendenziell entspannendere oder sedierende Wirkung haben, da Myrcen mit bestimmten Mechanismen interagieren könnte, die diese Effekte unterstützen.
Eine Sorte mit Genetik für hohen Limonen-Gehalt könnte eher anregend oder stimmungsaufhellend wirken, basierend auf den potenziellen Eigenschaften von Limonen.
Die Genetik legt also nicht nur fest, wie eine Sorte riecht und schmeckt, sondern beeinflusst über das Terpenprofil potenziell auch, wie sie wirkt.
Umwelt als Co-Pilot: Die Modulation des genetischen Potenzials
Es ist wichtig zu betonen, dass die Genetik zwar festlegt, welche Terpene eine Pflanze produzieren kann, die Umwelt aber massgeblich beeinflusst, wie viel davon produziert wird und in welchem finalen Verhältnis (der Phänotyp des Terpenprofils). Faktoren wie:
Lichtintensität und Spektrum
Temperatur (höhere Temperaturen können zum Verflüchtigen leichterer Terpene führen)
Luftfeuchtigkeit
Nährstoffverfügbarkeit
Bewässerung
Umgang und Handhabung der Pflanze (Stress kann Terpenproduktion beeinflussen)
Erntezeitpunkt
All diese Umweltfaktoren können die Expression der TPS-Gene, die Aktivität der Enzyme und die Stabilität der Terpenmoleküle beeinflussen und so das finale Terpenprofil (den Phänotyp) formen. Eine Pflanze mit dem genetischen Potenzial für ein exzellentes Terpenprofil braucht die richtige Umgebung, um dieses Potenzial voll auszuschöpfen.
Züchten für spezifische Terpenprofile
Das Zielen auf bestimmte Terpenprofile ist ein zentrales Ziel der modernen Cannabis-Züchtung. Es beinhaltet:
Auswahl der Eltern: Identifizierung von Elternpflanzen, die bereits vielversprechende Terpenprofile aufweisen (oft durch sensorische Bewertung und Labortests).
Kreuzen: Kombinieren von Eltern, um Gene für die gewünschten Terpen-Synthasen zu vereinen.
Phäno-Hunting: Anbauen einer grossen Population von Nachkommen und sorgfältige Selektion der Individuen, die das gewünschte Aroma, den passenden Geschmack und das durch Labortests bestätigte Terpenprofil aufweisen. Hier gehen die sensorische Wahrnehmung und die wissenschaftliche Analyse Hand in Hand.
Stabilisierung: Wiederholte Selektion und Züchtung über Generationen, um die Gene für die gewünschten Terpen-Synthasen zu fixieren und ein konsistentes Terpenprofil zu gewährleisten, das von Samen zu Samen verlässlich ist.
Fazit
Die genetische Blaupause einer Cannabispflanze ist der fundamentale Faktor, der bestimmt, welche Terpene sie überhaupt produzieren kann. Durch das Vorhandensein und die Aktivität spezifischer Terpen-Synthase-Gene legt die Genetik das Potenzial für das einzigartige Aroma, den Geschmack und die Beitrag zum Wirkungsprofil einer Sorte fest.
Dieses genetische Potenzial wird durch Umwelteinflüsse moduliert, was das finale, beobachtbare Terpenprofil (den Phänotyp) ergibt. Das Verständnis dieser komplexen Beziehung zwischen Genen, Enzymen, Terpenen und externen Faktoren ist entscheidend für Züchter, die Sorten mit spezifischen sensorischen Qualitäten und gewünschten Effekten entwickeln wollen.
Für Konsumenten und Anbauer bedeutet das Wissen um die genetische Steuerung der Terpene, dass die Auswahl der Genetik der erste und wichtigste Schritt ist, um jene Sorten zu finden, die nicht nur das gewünschte Aroma liefern, sondern auch das Potenzial für die angestrebte Wirkung im Rahmen des Entourage-Effekts mitbringen. Bei High Level Genetics widmen wir uns der Entschlüsselung dieser genetischen Codes, um Genetik zu liefern, deren aromatische DNA für aussergewöhnliche Qualität und ein einzigartiges Erlebnis spricht.
Hinweis: Die genauen Mechanismen, wie Terpene mit Cannabinoiden interagieren und die Wirkung modulieren, sind Gegenstand fortlaufender Forschung. Die hier beschriebenen Zusammenhänge basieren auf aktuellen Theorien und Forschungsergebnissen, die noch weiter erforscht werden.
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